Im vorherigen Kapitel ging es um grundlegende Werte von Menschen – in diesem um weitere Aspekte, die das menschliche Handeln beeinflussen: Einstellungen und Haltungen zu konkreten Fragen und individuelle Handlungsabsichten. Wir schauen dabei auch auf eine Reihe von Kniffen, wie wir Verhaltensänderungen fördern können – zum Beispiel, indem wir überhaupt nicht über das Klima sprechen.
Klimawandel-Kommunikation will erreichen, dass Menschen ihr Verhalten ändern. Dafür sollen sie allgemeine Regelungen zum Schutz des Klimas befürworten und einhalten – und die Politik darin bestärken, solche Regeln zu erlassen. Allerdings wissen wir erstaunlich wenig darüber, wie genau das geht: menschliches Verhalten zu ändern.
Religionen oder Philosophie wollen dies seit Jahrtausenden erreichen. Sie arbeiten mit Drohungen und Verlockungen im Diesseits und Jenseits. Oder sie appellieren an Vernunft, Einsicht und Anstand. Unser Instrumentarium in der Klimakommunikation hingegen ist beschränkt. Und die Überzeugungskraft rationaler Argumentationen wird meist überschätzt (siehe dazu Kapitel 2).
Aber was sonst verspricht Erfolg?
Schauen wir uns dazu eine Grafik an, die bei klimafakten.de erschienen ist:
Quelle: klimafakten.de
Laut dieser Grafik gibt es vier Faktoren auf dem Weg zu klimarelevantem Handeln:
Die Grafik nimmt Begriffe auf, die uns in diesem Handbuch an vielen Stellen begegnen: Vertrauen, Identität, Emotionen, Werte. Eine der wichtigsten Lehren ist: Die Klimakrise muss für jede und jeden zu einer persönlichen Sache werden – weil sie oder er selbst oder die eigene Familie betroffen ist, oder weil die Person es nicht (mehr) mit dem Selbstbild als moralischer Mensch vereinbaren kann, passiv zu bleiben. (Um psychologische Distanz und wie man sie überwindet, geht es in Kapitel 8.)
Ebenso wichtig: Bei allen Schritten in der Grafik sind persönliche Gespräche oft viel effektiver als allgemeine Informationen für ein großes, anonymes Publikum, zum Beispiel aus Medien oder Kampagnen.
Der dritte Schritt in der Grafik zerfällt nochmal in zwei Aspekte: Wir müssen wissen, was wir überhaupt tun können – und ob es etwas bewirkt.
Auch wenn es für Klima-Aktive schwer vorstellbar ist: Viele Laien haben nur vage Vorstellungen davon, was sie denn eigentlich gegen „diesen Klimawandel“ ausrichten sollen. Das Gefühl hat meist zwei Komponenten: Zum einen fehlen Informationen, was man überhaupt tun könne. Zum anderen herrschen Zweifel, ob man genug tun könne, dass es einen merklichen Effekt hat. Der entsprechende Begriff in der Fachsprache lautet Selbst-Wirksamkeit (auf Englisch „self-efficacy“). Beide Komponenten sind gekoppelt. Wenn ich nicht weiß, wo ich konkret anfangen soll, dann kann ich mir auch keine Wirkung ausmalen.
Der Schlüssel ist oft, Menschen zu zeigen, dass sie etwas ändern können, ohne ihr liebgewonnenes Leben komplett aufzugeben. Und dass sie dabei nicht allein sind, sondern in einer Gruppe stehen. „Daher ist es wichtig, dieses Gefühl von Wirksamkeit (‚Ich kann etwas erreichen für den Klimaschutz‘) auf eine kollektive Ebene zu bringen (‚Wir können gemeinsam mehr Klimaschutz erreichen!‘)“, sagt Gerhard Reese von der Universität Koblenz-Lindau.
Gesagt und vielleicht auch gezeigt zu bekommen, dass man wirklich etwas tun kann gegen die Klimakrise, weckt den Handlungsmut. Wenn eigenes Handeln und spätere Wirkung in einem konsistenten Zusammenhang stehen, erkennen wir unseren Einfluss, unsere Macht. Bekommen Menschen Handlungsmöglichkeit gezeigt, sehen sie es darüber hinaus auch als wichtig und ethisch notwendig an, tatsächlich zu handeln, zeigen Studien. Ansonsten fehlt ihnen die Möglichkeit und das Bewusstsein dafür, dass sie Verantwortung für andere übernehmen.
Bevor wir den fünften Schritt – die konkrete Tat – anschauen, hier ein paar praktische Kniffe. Auch wenn es – wie eingangs erwähnt – keine Patentrezepte gibt, um Menschen zum (Klima-)Handeln zu bewegen, lassen sich doch einige Tipps geben:
Eine wirksame Möglichkeit der Kommunikation ist es, teachable moments auszunutzen. Solche Aha-Momente im Zusammenhang mit der Klimakrise können zum Beispiel Extremwetter-Ereignisse sein, aber auch unerwartete Äußerungen aus einer überraschenden Quelle, wie vor einigen Jahren die Enzyklika Laudato Sí des Papstes. Solche „lehrreichen Momente“ lassen sich nicht planen, aber man kann sich kommunikativ auf sie vorbereiten.
Ganz persönliche Ereignisse können ebenfalls einen Aha-Effekt haben (oder dafür genutzt werden): Umzüge, Berufswechsel, die Geburt von Kindern, der Abschluss einer Ausbildung oder andere Lebensereignisse. Menschen sehen sich dann aktiv nach neuen Verhaltensweisen um oder üben sowieso einen neuen Alltag ein, in dem dann auch Klimaschutz von Anfang an seinen Platz finden kann. Auch durch die Coronakrise erleben viele Menschen den Zusammenhalt im Alltag und die weitreichenden Handlungsmöglichkeiten des Staates neu.
Veränderungs-Prozesse kann man steuern und stabilisieren, indem man erste Schritte, Zwischenziele und Meilensteine definiert, den Fortschritt überprüft – und gern auch feiert. Wenn man Menschen zum Nachdenken bringt, sollte es etwas geben, was sie später daran erinnert. Es kann auch helfen, wenn das Gegenüber einen Entschluss – vielleicht auf eine entsprechende Frage hin – in eigene Worte fasst und so verkündet. Die Person bindet sich dadurch stärker und unterwirft sich einer sozialen Kontrolle. Wobei die wirksamste Kontroll-Instanz das eigene Gewissen wird.
Wenn es um konkrete Möglichkeiten zur Verhaltensänderung geht, dann schlägt auch wieder die Stunde der fakten-basierten Kommunikation: Wie, was, wann? Es hilft, wenn Kommunikation Handlungsmöglichkeiten aufzeigt, die machbar sind und sich möglichst gut in den Alltag integrieren lassen. Idealerweise liefert man noch Beispiele für Leute, denen das schon gelungen ist. Aber Information allein genügt dabei nicht – es muss auch leichter werden, sie im eigenen Verhalten umzusetzen.
Zur Vermittlung von Fakten wie auch anderer Dinge, ein vielleicht banal klingender, aber tatsächlich wirksamer Tipp: Beachten Sie das Gesetz der drei Beispiele! Ab der magischen Drei kann unser Gehirn Regeln und Prinzipien als solche erkennen. Texte oder Argumente fühlen sich daher praktisch immer „runder“ an, wenn sie drei Beispiele enthalten.
Bei einer Kampagne, die für die Klimakrise relevant ist, muss das Klima nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Stattdessen kann es auch um Gesundheit gehen, um Gerechtigkeit, wirtschaftliche Entwicklung oder Luftverschmutzung. „Co-Benefits“ wird es oft genannt, wenn andere positiven Folgen angesprochen werden, die beim Reduzieren der Treibhausgase quasi nebenbei entstehen. Und das ist nicht nur in den USA sinnvoll, wo bei dem Begriff „climate change“ gleich ideologische Alarmglocken schrillen, während „clean energy“ bei Anhängern beider Parteien gut ankommt – und gerade Texas inzwischen eine der globalen Wind-Hochburgen geworden ist.
„Wenn man möchte, dass Menschen nicht nur mitmachen, sondern selbst machen, dann braucht es attraktive Ziele. Ein Entwurf von einem Leben, das besser ist als das Leben heute: Zum Beispiel mehr Zeit für Freunde und Familie, weniger Stress im Beruf, gesundes Essen, eine umweltschonende Technik. Das Ziel, den Klimawandel zu verhindern, wird auf Dauer nicht ausreichen.“
Jens Wolling von der TU Ilmenau bringt es auf den Punkt. Solche positiven Folgen können auch Menschen überzeugen, die wenig auf die Klimaforschung geben, zeigte eine internationale Vergleichsstudie. Allerdings funktionieren vermutlich nicht alle Co-Benefits in allen Ländern gleich gut: Versuchspersonen aus der Schweiz und Deutschland zum Beispiel sprangen nicht besonders auf mögliche Vorteile im Gesundheitswesen und bei der Luftqualität an –vermutlich erleben sie die Gegenwart nicht so sehr als verbesserungsbedürftig.
Zum Selbst-Nachdenken oder in Workshop-Gruppen: Überlegen Sie sich drei Personen, am besten möglichst konkret, aus verschiedenen Generationen, mit unterschiedlicher Herkunft, Ausbildung und Geschlecht. Vielleicht schreiben Sie sich das steckbriefhaft kurz auf.
Dann gehen Sie die Faktoren der Grafik, die Sie weiter oben gesehen haben, einzeln durch: Was bedeutet jeder für Ihre drei Modellpersonen? Wo ergeben sich Ansatzpunkte für die Klimakommunikation? Wo erwarten Sie Hindernisse, und wie lassen sich diese vielleicht umgehen? Was bedeuten die hellblauen Balken oben und unten für Ihre ausgedachten Personen?
Das übergeordnete Ziel von Klima-Kommunikation ist, die gefährliche Destabilisierung des Erdklimas zumindest zu begrenzen – so steht es im Pariser Abkommen. Aber dies ist nicht der Zweck unserer Kommunikation. Kein Mensch hat die geeigneten Mittel in der Hand, das Pariser Abkommen zu erfüllen. Für die Begrenzung der Durchschnittstemperaturen, das Überleben der tropischen Korallenriffe oder das schwindende Arktis-Eis können wir als Individuen schlicht nichts direkt tun.
Und doch ist es ungefähr das, was viele Menschen in Kampagnen oder Handlungsappellen vorgesetzt bekommen: Mal erscheint das präsentierte Ziel viel zu groß für den kleinen, persönlichen Beitrag. Oder es ist dermaßen abstrakt, dass man kaum einen Ansatzpunkt für das eigene Engagement sieht.
Menschen produzieren keine Ergebnisse – sie können aber Maßnahmen ergreifen, die vielleicht zu diesen Ergebnissen führen. Wer die Begriffe „Ziel“ bzw. „Ergebnis“ sowie „Aktion“ bzw. „Maßnahme“ verwechselt, erschwert die Verantwortungsübernahme. Wirksamer ist es, Menschen etwas Konkretes aufzeigen, das sie tun können – und dabei natürlich die Verbindung zum großen, fernen Ziel und Ergebnis ziehen.
Kommen wir zum Schluss zurück auf die eingangs gezeigte Grafik; es stand ja noch aus, wieso sie eigentlich einen fünften Bereich gebrauchen könnte. Als vierter Schritt war dort die gefasste Absicht genannt. Eine solche zu entwickeln, ist zwar ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Verhaltensänderung. Aber mit einer Handlungsabsicht allein ist es nicht getan. Es gibt nämlich eine Lücke, um nicht zu sagen einen Abgrund zwischen Absichten und Handeln – im Englischen spricht man vom „intention-behaviour-gap“.
Zwei Bereiche sind daher wichtig:
Um nicht immer wieder in diese Lücke zu fallen, empfehlen Psycholog:innen eine Hilfestellung: Man solle sich Situationen, in denen man voraussichtlich „schwach wird“, möglichst bildlich vorstellen – und bereits im Voraus eine Reihe von Wenn-Dann-Regeln aufstellen. Unter „Wenn“ können typische Gelegenheiten und Hindernisse aufgelistet werden, das zugehörige „Dann“ enthält eine im Voraus hierfür festgelegte Handlungsoption oder -alternative. Dieses Vor-Denken erlaubt, in Ruhe und rechtzeitig Informationen einzuholen und abzuwägen, und entlastet dadurch später in der konkreten Situation.
Mögliche Regeln können sein: „Wenn ich zwischen billigerem Obst mit und teurerem Obst ohne Plastik wählen kann, dann kaufe ich stets jenes ohne Plastik.“ Oder: „Wenn ich Gemüse nur mit Plastik bekomme, dann kaufe ich es nicht.“ Oder: „Wenn ich Obst und Gemüse brauche, dann gehe ich auf den Wochenmarkt (und nehme auch dort keine Plastiktüte an).“
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Über einen verwandten Aspekt, nämlich Gewohnheiten, hat die Psychologin Wendy Wood von der University of Southern California ein ganzes Buch geschrieben. Es heißt: „Good Habits, Bad Habits“. Laut Wood tun wir viele Dinge im täglichen Leben, weil wir sie gefühlt „schon immer“ so getan haben. Und das Schicksal der meisten Neujahrs-Vorsätze zeigt, wie schwierig es sein kann, diese Gewohnheiten zu ändern.
Die gängige Erklärung ist, es habe einfach „die Willenskraft“ gefehlt. Wood hält das für einen schädlichen Mythos, der die Leute herunterzieht: Wenn sie ihr Ziel verfehlten und sich dann auch noch selbst die Schuld gäben, dann verlören sie jede Zuversicht und Motivation.
Woods Arbeit zeigt, dass besonders bei gewohnten Verhaltensweisen aus einer gefassten Absicht eher selten ein tatsächlicher Erfolg resultiert. Und gerade in der Klimakrise geht es doch um Handlungen, die wir ab jetzt immer wieder anders gestalten müssen als bisher. Doch wenn man jeden Morgen neu entscheiden soll, ob man den Bus zur Arbeit nimmt oder das vermeintlich bequemere Auto, dann ist Scheitern geradezu programmiert. Für die kalifornische Psychologin liegen die Lösungen darin, gezielt andere Gewohnheiten zu bilden.
Drei Faktoren rückt Wood dabei in den Mittelpunkt: Kontext, Wiederholung und Belohnung. Kontext bedeutet, die Routinen und Anlässe für das Ausüben von Gewohnheiten neu zu gestalten (z.B. den Fahrradschlüssel griffbereit neben die Tür legen, während der Autoschlüssel seinen Platz im Schlafzimmer ganz hinten im Kleiderschrank bekommt). Wiederholung erleichtert es mit der Zeit, neue Gewohnheiten zu befolgen. Und Belohnung stabilisiert anfangs die Umstellung, und zwar vor allem, wenn die Belohnung unerwartet kommt.
Es geht jedenfalls darum, den Leuten die gewünschten Verhaltensänderungen möglichst einfach zu machen. Denn für sie sind die ersten Schritte oft die schwierigsten. Es ist darum sehr viel gewonnen, wenn Sie das Gefühl von Selbst-Wirksamkeit stärken und dem Publikum die Angst nehmen, dass es mit großen Umwälzungen alleingelassen wird. Und insgesamt ist es schon ein Erfolg (und kein kleiner), wenn wir endlich über die Klimakrise reden.
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Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen: