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16. Benutze Vergleiche mit der Corona-Krise sparsam und zielgenau

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Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Christopher Schrader, Autor des Handbuchs

Es ist einerseits reizvoll, auf Parallelen zwischen Corona- und Klimakrise hinzuweisen und diese für eine wirksame Klimakommunikation zu nutzen. Andererseits lauert die Gefahr, damit negative Erinnerungen zu aktivieren und Gefühle zu verletzen. Man sollte bei Corona-Vergleichen deshalb sorgfältig abwägen, stets in das jeweilige Publikum hineinhorchen und unbedingt die psychologischen Faktoren von Sorge und Angst beachten. Anknüpfen kann man vermutlich am besten bei positiven Erfahrungen im Umgang mit und in der Bewältigung der Pandemie.

Die Corona-Pandemie wird für fast alle Menschen auf absehbare Zeit ein zentraler Referenzpunkt bleiben. Sie hat das Leben auf den Kopf gestellt und viel, viel Leid gebracht – zugleich aber war zu sehen, wie Regierungen hierzulande und weltweit angesichts der gewaltigen Krise zu bis dahin unvorstellbaren Maßnahmen griffen. Milliardensummen wurden mobilisiert, der Wirtschaft Einschränkungen auferlegt, Mobilität und Konsum der Bevölkerung reglementiert.

Vielfach war seit Beginn der Corona-Pandemie zu hören und zu lesen, im Stillstand des Lockdowns gebe es Parallelen oder Vorbilder für den Kampf gegen die Klimakrise zu entdecken oder könne Schwung dafür geholt werden. Viele Fachleute hegten die Hoffnung, wegen Corona werde eine neue, bessere Zeit beginnen:

„Krisen sind sehr oft Knotenpunkte von Entwicklungen. Da werden Dinge möglich, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können, zum Guten wie zum Schlechten. In solchen Krisenmomenten ist das Spielfeld offen, Dinge werden neu tariert. Deshalb müssen wir jetzt zeigen, welche Lösungen wir haben, die in eine nachhaltige Zukunft führen.“

Dies zum Beispiel sagte Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts, Ende März 2020 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Parallelen und Unterschiede

Je länger die Pandemie andauerte, desto leiser wurden solche eher optimistischen Töne. Doch wer Gemeinsamkeiten zwischen Corona- und Klimakrise betonen möchte, findet schnell viele Argumente und Kronzeug:innen dafür – allerdings mindestens ebenso viele dagegen. Hier zwei Zitate von Prominenten:

Claus Kleber, langjähriger Moderator des Heute Journals (ZDF) moderiert einen Beitrag über einen Klimastreik zwei Tage vor der Bundestagswahl im September 2021 wie folgt an: „Die Pandemie liefert der Bewegung Treibstoff, weil die Weltgemeinschaft in der Pandemie bewiesen hat, was möglich ist, was es ihr plötzlich wert ist, wenn ein Problem mal als existenziell erkannt wurde wie die Pandemie. Dann spielen Hunderte von Milliarden und die Interessen der Wirtschaft plötzlich keine entscheidende Rolle mehr. Und solche radikale Ernsthaftigkeit fordert Greta Thunberg heute in Berlin auch fürs Klima.“

Eine Gegenposition ließ der ehemalige Grünen-Politiker Ralf Fücks verlauten. Er argumentierte, wie etliche andere, die Reaktion auf beide Krisen habe völlig unterschiedliche Ziele und Zeithorizonte: „Die Einschränkungen zur Bekämpfung der Virus-Epidemie sind temporär. Wir akzeptieren sie in der Hoffnung auf Rückkehr zur Normalität des modernen Lebens. Angewandt auf den Klimawandel müssten sie auf Dauer gestellt werden: nicht für Monate, sondern für immer. Wer das als mehrheitsfähige Vision verkaufen will, ist nicht von dieser Welt.“

Ohne Zweifel gibt es sowohl Gemeinsamkeiten und Unterschiede, hier eine kleine Auswahl:

Verblüffend ähnlich waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das globale Wirtschaftssystem, dessen Netz plötzlich an vielen Stellen riss – so würde es auch kommen, erwarten viele, wenn die Klimakrise ungebremst weiterginge. Bis heute sind die Pandemiefolgen zu spüren, wenn zum Beispiel mehr als ein Jahr nach deren Beginn ein Autowerk wegen des Mangels an Mikroprozessoren die Produktion stoppen muss. Dabei tut es wenig zur Sache, ob die Chips nicht produziert, nicht rechtzeitig bestellt oder nicht geliefert werden konnten: Die Abläufe wurden grundlegend gestört.

Sollte die massenhafte Verweigerung von Schutzmaßnahmen wie Masken oder Impfungen in der Klimakrise Nachahmung finden, wäre das ein schlechtes Zeichen. Zwar blieb die Zustimmung zum Klimaschutz in der Pandemie zunächst hoch. Wie die neuen Anhänger der Corona-Verschwörungsmythen reagieren, wenn Klimapolitik ihren Alltag erreicht, muss sich aber noch zeigen.

Die Fachleute aus Virologie und Epidemiologie haben erlebt, was in der Klimaforschung seit Jahren üblich ist: Die Politik sucht ihren Rat, um ihn im Zweifel jedoch nicht anzunehmen bzw. jeweils die Fakten oder empfohlenen Maßnahmen auszuwählen, die ihnen situativ und programmatisch passen. Und wo es der Öffentlichkeit so vorkommt, als bestimmten die Expert:innen die Maßnahmen, da werden diese angefeindet, und ihre Kompetenz wird bestritten.

Die Krisenreaktionen der Covid-Politik sind nicht auf den Klimaschutz übertragbar. Die planlose Disruption der Ökonomie kann nicht der Weg in eine nachhaltige Klimazukunft sein.

Die Solidarität und Entschlossenheit vieler Menschen in der Corona-Bekämpfung würden auch Klimaaktivist:innen gern nutzen, um eine angemessene Reaktion auf die Erderhitzung und ihre Folgen zu organisieren.

Frames
Was davon die Entscheidung lenkt, wie man in der Klimakommunikation in Zukunft mit den Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie umgeht, lässt sich nicht eindeutig entscheiden. Für viele Kommunikator:innen wird es eine Frage des Bauchgefühls bleiben.

Zwei Umfragen

Einen Aspekt dieses Bauchgefühls sollten zwei Umfragen näher beleuchten. Es geht um die Frage, wie hoch einerseits ein Fachpublikum und andererseits Twitter-User die Gefahr einschätzen, dass man mit Corona-Vergleichen in der Klimakommunikation negative Gefühle und Erinnerungen aus der Pandemiezeit aufwühlt. Es ist ja immerhin denkbar, dass Menschen im Publikum leidvolle Corona-Erfahrungen auf Maßnahmen zum Klimaschutz projizieren. Dann wird womöglich Widerstand provoziert, der ganz andere, emotionale Wurzeln hat. Diese Befürchtung war auch der Hauptgrund für die Überschrift dieses Kapitels.

Für die Umfragen gab es vier Antwort-Optionen. Dabei bedeutete:

A: Vergleiche von Corona- und Klimakrise sind auf jeden Fall nützlich.

B: In der Abwägung ist die Gefahr durch den emotionalen Faktor eher gering einzuschätzen.

C: In der Abwägung ist die Gefahr durch den emotionalen Faktor eher hoch einzuschätzen und deswegen Zurückhaltung geboten.

D: Die Krisen sind nicht vergleichbar oder sollten nicht verglichen werden.

Im Ergebnis kamen eindeutige Mehrheiten von fast 50 angeschriebenen Fachleuten und gut 240 Twitternutzer:innen zum Ergebnis, dass Option B am ehesten zu empfehlen sei. Aber sicher sein, mit Corona-Vergleichen keine negativen Emotionen zu wecken, kann man natürlich nicht …

Viele weitere Details zum Thema, unter anderem die Einzelheiten und Ergebnisse der beiden Umfragen, finden Sie in der ausführlichen Version dieses Kapitels – Sie können es hier als pdf-Datei herunterladen.

Drei Einschätzungen aus der Forschung

Die Psychologin Cornelia Betsch sieht so viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Themenfeldern, dass sie mit ihrem Team die regelmäßigen, im März 2020 gestarteten Corona-Umfragen „Cosmo seit September 2021 durch ein Klima-Monitoring ergänzt hat. Für diese PHA2SE-Studie („Planetary Health Action Acceptance Study Erfurt“) wurden teilweise die während der Pandemie entwickelten Fragen angepasst; es geht also darum, ob die Teilnehmer:innen bestimmte Maßnahmen gutheißen – nur in diesem Fall nicht gegen die Covid-Pandemie, sondern eben zum Klimaschutz. Eines der ersten Ergebnisse lautet: Wer die Klimakrise als Bedrohung der eigenen Gesundheit auffasst, der stimmt meist auch einer ehrgeizigen Klimapolitik zu.

Um zu vermeiden, dass die Klimakommunikation negative Emotionen aufwühlt, wenn man an die Corona-Zeit erinnert, empfiehlt die Psychologin aus Erfurt: „Knüpfen Sie an die positiven Bewältigungserlebnisse und -strategien an. Auch wenn es vielen Menschen richtig schlecht ging: Jede und jeder hat irgendwelche guten Erfahrungen gemacht, die wir aufgreifen können. Und dann können wir besprechen, was daraus Positives entstanden ist oder entstehen könnte.“

Mike Schäfer, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Zürich, sieht vor allem das Einerseits-Andererseits, wenn man über Corona-Vergleiche in der Klimakommunikation nachdenkt. „Viele haben ja gesehen, wie viel geht, wie viele Einschränkungen eigentlich ganz gut auszuhalten waren“, sagt er. „Da haben darum viele Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen gemacht. Es wurde sehr viel über Lösungsansätze und Vorbilder berichtet.“ Außerdem seien Strukturen entstanden, die hoffentlich mit Investitionen verfestigt werden, vor allem im Wissenschaftsjournalismus und der Wissenschaftskommunikation. Der Zürcher Forscher erkennt aber auch Probleme. „Gerade jetzt hat natürlich niemand Bock auf Einschränkungen.“ Außerdem seien die beiden Krisen aus der Perspektive vieler Menschen sehr unterschiedlich dringlich und auf-dringlich.

Marina Joubert forscht an der Universität Stellenbosch (Kapstadt) zu Klima- und Corona-Kommunikation und betont vor allem die Differenzen zwischen beiden Krisen. „Die Zeitskalen und die empfundene Dringlichkeit des Handelns sind einfach unterschiedlich“, sagt sie. „Die Klimakrise hat gravierendere emotionale Auswirkungen, weil einfach kein Ende in Sicht ist. Gleichzeitig bekommen die Menschen viel weniger das Gefühl, dass sie einen spürbaren Effekt auf die Probleme ausüben können.“ Was sich die südafrikanische Wissenschaftlerin aber vorstellen kann, ist, Covid als Einstieg in eine Diskussion von Lösungsstrategien zu erwähnen. Nach dem Motto: Seht doch, was möglich ist, wenn die Welt zusammenkommt. „Aber man sollte genau wissen, was man von den Leuten will, was man ihnen also nach dieser Vorrede vorschlägt.“

Aus diesen Interviews wie auch aus etlichen weiteren Antworten auf die oben erwähnten Umfragen lassen sich zwei konkrete Ratschläge ableiten:

1) Vergleiche der beiden Krisen sollten vor allem die Chancen und Möglichkeiten sowie die Erlebnisse und Erfolge des entschlossenen gemeinschaftlichen Handelns betonen.
2) Zugleich gilt es, die sehr unterschiedlichen Methoden und Ziele im Kampf gegen die beiden Krisen im Blick zu behalten.

Drei Einschätzungen aus der Forschung

Sieben Studien

Redaktionsschluss dieses Handbuchs war weniger als zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie; für die Wissenschaften ist das ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum. Deshalb gibt es auch noch nicht viel gesichertes Wissen über die kommunikativen Aspekte, aber einige Studien behandeln das Thema schon:
Corona verdrängt nicht die Klimakrise

Viele Menschen empfinden die Klimakrise auch in Pandemie-Zeiten als Bedrohung. Das dämpft ein wenig die Sorge, Corona werde den Klimawandel aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verdrängen. Dafür gab es einige Anzeichen, zum Beispiel bei der Auswertung von Zeitungsartikeln oder Tweets. Aber eine internationale Umfrage des Instituts Ipsos im April 2020 zeigte, dass beide Krisen von den Befragten als ebenbürtig eingestuft wurden: Im Schnitt waren 71 Prozent der Befragten in 14 Länder dieser Meinung, in Deutschland waren es 66 Prozent.

Klima-Investitionen bei Corona-Hilfen gewünscht

Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen machten die staatlichen Covid-Hilfspakete in den Augen vieler Menschen attraktiver. Ein Forschungsteam aus Kanada und den USA hat vier Umfragen aus beiden Ländern verglichen. Die erste fand jeweils im Mai 2020 zu Beginn der Pandemie statt, die zweite jeweils etwa ein Jahr später. Auch dabei zeigte sich, dass die Befragten den Klimawandel in der Pandemie keinesfalls vergessen hatten – im Gegenteil. Hier strahlte also das Klimathema auf die Corona-Politik aus. Zu der umgekehrten Frage fand das Team allerdings nur eine Tendenz: Wenn man die Klima- mit der Coronakrise verknüpft, löst das auch für erstere mehr Handlungsmotivation aus? Antwort: eher ja.

Vertrauen in Klimaschutzmaßnahmen gestiegen

Erfahrungen in der Pandemie haben vielen Menschen Zuversicht gegeben, dass auch gegen die globale Erwärmung etwas getan werden kann. Im Januar 2021 hat eine Forschungsgruppe um Gisela Böhm von der Universität Bergen mehr als 2200 Norweger:innen zum Zusammenhang von Corona- und Klimakrise befragt. Etwa 45 Prozent gaben dabei an, die gesellschaftliche Reaktion habe ihr Vertrauen sehr oder zumindest ein wenig gestärkt, dass auch die globale Erwärmung gebremst werden könne. Bei den Jüngeren ab Jahrgang 1990 und bei den Frauen war dieser Zuwachs an Vertrauen besonders ausgeprägt. Ebenfalls 45 Prozent der Befragten sahen hingegen keine Beziehung zwischen den Krisen, jedoch waren zehn Prozent sogar pessimistischer geworden in Bezug auf Erfolge im Klimaschutz.

Eher wenig dauerhafte Verhaltensänderungen
Die Einschränkungen, die Covid-19 bei der Mobilität erzwungen hat, nehmen nur wenige Menschen zum Anlass, ihr Verhalten dauerhaft zu ändern. Einen interessanten Einblick liefert hier der Mobilitätsmonitor, den das Institut Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) in den Jahren 2019 bis 2021 erstellt hat. Demnach hat Corona zwar weitreichende Veränderungen erzwungen, vor allen bei Fernreisen. Aber etwas davon in die Routinen des Alltags nach Ende der Pandemie übernehmen, das wollten jeweils eher wenige. Die höchste Zustimmung mit jeweils 26 Prozent bekamen mehr Radfahren und mehr zu Fuß gehen; 28 Prozent der Befragten aber möchten komplett zurück zum Verhalten vor der Pandemie.
Stärkeres Vertrauen, etwas ändern zu können?
Das Gefühl, selbst oder in der Gruppe etwas gegen die Pandemie bewirken zu können, stärkt ähnliche Wahrnehmungen in Bezug auf die Klimakrise. Die Daten der Studie mit einer Stichprobe in der deutschsprachigen Schweiz waren bei Redaktionsschluss des Handbuchs noch nicht veröffentlicht; Sebastian Seebauer von Joanneum Research in Österreich stellte Anfang Oktober 2021 auf einer Tagung zur Umweltpsychologie erste Einblicke eines Forschungsteams aus den drei deutschsprachigen Ländern vor. Demnach nahm die Zustimmung zu ehrgeiziger Klimapolitik jedoch kaum zu.
Corona-Politik kein Probelauf für den Klimaschutz

Die Corona-Krise und staatliche Reaktionen darauf als „Probelauf“ für Maßnahmen gegen die Klimakrise darzustellen, hat sich bei mindestens einem Test als ungeeignete Idee erwiesen. Ein Team um Ulrich Ecker (University of Western Australia, Perth) hat in den ersten Monaten der Pandemie insgesamt knapp 1400 US-Bürger:innen befragt. Ein Teil von ihnen las einen vermeintlichen Kommentar aus den Medien, der die Probelauf-These verbreitete; eine andere Gruppe bekam einen erfundenen Meinungsartikel, wonach Klimaschutz in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung nach der Coronakrise zurückstehen müsse. Nur den zweiten dieser Texte fanden die Probanden überzeugend – ihre Sorgen über den Klimawandel und ihre Zustimmung zur Politik der Emissionssenkung gingen dann im Vergleich etwas zurück.

Verhaltensänderungen moralisch begründen

In der Coronakrise wurden Verhaltensänderungen als persönliche, moralische Verantwortung empfunden. Das ist eine Antwort, die ein Team um Linda Steg von der Universität Groningen auf die Frage gibt: Warum hat in der Coronakrise eine große Mehrheit der Bevölkerung drastische Einschnitte in den Alltag akzeptiert? Die Analyse im Fachblatt Nature Sustainability zeigt, wie bei vielen Menschen starke soziale Normen und persönliche Werte ins Spiel kamen. Die Autor:innen machen eine Reihe von Vorschlägen, wie ähnliche Effekte zu einer angemessenen Reaktion auf die Klimakrise beitragen könnten. Sie lesen sich wie ein Inhaltsauszug aus früheren Kapiteln dieses Handbuchs: Distanz zum Thema reduzieren, Klimafolgen konkret machen, über Lösungsansätze und Menschen berichten, die sich klimagerecht verhalten, das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken. Hinzu kommt, aus der Verbindung der beiden Krisen Win-Win-Argumente zu machen: Würde die Menschheit den Raubbau an der Natur beenden, dann kämen auch die Träger solcher von Tieren stammenden Krankheiten wie Covid-19 nicht mehr so häufig in Kontakt mit Menschen.

Weitere Details zu Studien finden Sie in der ausführlichen Version dieses Kapitels – Sie können es hier als pdf-Datei herunterladen.

Sieben Studien

Zehn Verhaltenstipps von Climate Outreach

Schon ganz zu Anfang der Coronazeit hat das Team der britischen Organisation Climate Outreach zur Frage, wie Klimakommunikation in Zeiten der Pandemie geht, einen Ratgeber veröffentlicht. Als Basis dienten zahlreiche Studien, die frühere, klimabezogene Krisen betreffen, etwa den Umgang mit den Opfern von Flutkatastrophen, ebenso wie die Erfahrung des Autor:innen-Teams um Robin Webster und Adam Corner.

Das Dokument enthält zehn Erkenntnisse und Ratschläge:

  1. Achten Sie noch mehr als sonst auf Ihr Publikum und das Timing. Dem liegt die auch in diesem Kapitel erwähnte Sorge zugrunde, dass beim Kommunizieren zu Corona und Klimakrise individuelle Traumata und starke Gefühle aufgewühlt werden können, die dann alles überdecken. Es ist womöglich eine gute Idee, sich eher über Erfahrungen auszutauschen und irgendwo empathisch anzuknüpfen, als eine eigene Agenda zu verfolgen. Zu erklären, der Klimawandel sei wichtiger als die Coronakrise, verbietet sich.

  2. Klimakrise und Klimaschutz bleiben wichtige Themen, werden womöglich jedoch anders wahrgenommen als vor der Pandemie. Dass die globale Erwärmung eine Katastrophe sei, könnte hohl klingen. Aber den Blick auf die nun sichtbaren Bruchlinien der Gesellschaft zu lenken, kommt vielleicht besser an als zuvor.

  3. Machen Sie soziale Werte zum Thema, besonders die „Ich-überschreitenden“, also Universalismus und Gemeinsinn. Dazu gehören laut Kapitel 3 Solidarität, Zusammenarbeit, Mitgefühl, Rücksichtnahme und gegenseitige Unterstützung – das haben viele Menschen in der Pandemie gelernt und geschätzt. Solche Werte sind auch in der Klimakrise wichtig, die Corona-Erfahrung bietet also Anknüpfungspunkte. Allerdings zeigt sich auch, dass das Einfordern oder Verweigern von Solidarität Konflikte auslösen kann, die dann schnell eskalieren, wie die Auseinandersetzungen um das Maskentragen oder Impfen belegen.

  4. Einschneidende Veränderungen des Lebensstils waren möglich, weil die Pandemie als bedrohliche Ausnahme gesehen wurde. Gleichzeitig sind gerade solche Ausnahmesituationen die Gelegenheiten, in denen Menschen mit Gewohnheiten brechen können, die sie eigentlich schon lange störten. Aus dieser Einsicht ergibt sich der Ratschlag, gemeinsam darüber nachzudenken, welche neuen Verhaltensweisen Vorteile für Gesundheit und Umwelt bieten und welche in Zukunft – angepasst an die Situation – bewahrenswert sind, ob nun häufigeres Homeoffice oder Urlaub im eigenen Land.

  5. Anstatt nach der Pandemie „zur Normalität zurückzukehren“, sollte das Ziel sein, gestärkt daraus hervorzugehen. Die Gesellschaft sollte in Zukunft widerstandsfähiger werden, das neue Wissen für die Vorbereitung auf kommende Krisen nutzen und Resilienz entwickeln.

  6. Erfahrungen der Selbstwirksamkeit in der Pandemie sollte die Kommunikation wo immer möglich in Optimismus ummünzen. Auch in der Klimakrise lassen sich schließlich Handlungsoptionen finden, die man ergreifen kann, die einen nicht überfordern und tatsächlich zur Lösung der Probleme beitragen.

  7. Individuelles Handeln ist Teil der gesamtgesellschaftlichen Reaktion. Ohne staatliche Maßnahmen hätte die Corona-Bekämpfung nicht funktioniert, aber ohne die Beiträge der vielen Einzelnen eben auch nicht. Genauso ist die persönliche Änderung des Lebensstils ein Teil der systemischen Transformation in der Klimakrise – man sollte nicht das Eine gegen das Andere ausspielen.

  8. Setzen Sie auf Themenbotschafter – auch in der Pandemie gab es Menschen, die besonderes Vertrauen genossen. Mit solchen Personen zu arbeiten, war in Kapitel 7 ein zentraler Rat in der Klimakommunikation. Gerade die Rolle der Wissenschaft in Politik und Gesellschaft ist in der Coronakrise gestärkt worden. Dennoch mussten Virologinnen und Ärzte in einem Crashkurs lernen, wie hart einzelne Wortführer sie für eine Politik angreifen, die sich auf Studien und die Erkenntnisse aus den Laboren stützt.

  9. Fairness zu betonen, ist in beiden Krisen wichtig. In der Pandemie ging es – jedenfalls im reichen Mitteleuropa – erst um den Schutz der besonders gefährdeten alten Menschen, dann um die Gehälter der Pflegekräfte und irgendwann (viel zu spät) um die globale Verteilung der Impfstoffe. Ähnliche Fairness-Debatten gibt es in der globalen wie nationalen Klimapolitik natürlich auch. Allerdings hat Fairness in der britischen Mentalität eine noch höhere Bedeutung als im deutschsprachigen Raum.

  10. Bildmaterial soll authentische Menschen zeigen, die sich für die Bewältigung der Probleme engagieren und mit anderen kooperieren. Es gelten die Empfehlungen aus Kapitel 12 für die Corona- wie für Klimakrise. Wenn Fotos Verhaltensweisen zeigen, die Anlass zur Kritik bieten, dann nicht von Einzelnen, sondern von Gruppen. Aufnahmen von Demonstrationen und politischem Protest können die Aufmerksamkeit auf Streit und Uneinigkeit lenken.
Zehn Verhaltenstipps von Climate Outreach

Fazit

Wie gerade die Hinweise aus dem Ratgeber von Climate Outreach zeigen, bestand und besteht kein Grund, in der Coronakrise und unter Pandemiebedingungen auf Klimakommunikation zu verzichten – auch im Angesicht der akuten Krise hat die Öffentlichkeit weiterhin Aufmerksamkeit für das langfristige Problem. Umfragen bestätigen zudem, dass viele Menschen im Blick behalten haben, welche gewaltigen Umbrüche bevorstehen, weil die Atmosphäre immer mehr Treibhausgase enthält. Womöglich stärkt die Erfahrung mit Covid-19 das Bedürfnis, die kommende Transformation aktiv zu gestalten, statt sie über die Gesellschaften hereinbrechen zu lassen.

Wie offensiv Klimakommunikator:innen in Zukunft auf die Parallelen der beiden Krisen, auf die Lektionen aus der Pandemie hinweisen wollen, müssen sie selbst entscheiden. Dieses Kapitel hat dafür leider keinen zentralen, eindeutigen Ratschlag. Dazu sind die Ansichten und die Aspekte einfach zu divers, die Eindrücke noch zu frisch. Die Hauptbotschaft dieses Kapitels lautet daher: Bei Vergleichen der beiden Krisen gilt umso mehr, dass die Botschaft wohlüberlegt sein und zum jeweiligen Publikum passen muss.

Fazit

Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

  • Ein Podcast mit Isabella Uhl-Hädicke von der Universität Salzburg zu Klimakommunikation und Corona aus der Zeit der ersten Lockdowns und Schulschließungen

  • In ihrem Buch F*ck the System betrachten Graeme Maxton, ehemaliger Generalsekretär des Club of Rome, und Bernice Maxton-Lee von der ETH Zürich Covid-19 als „Tor in eine andere Zukunft“, die Pandemiepolitik der Staaten habe gezeigt, „dass die notwendige Transformation tatsächlich möglich ist“

  • Zur Frage, welche gesellschaftlichen Veränderungen von der Coronakrise bleiben werden, hat ein Forschungsteam des Karlsruhe Instituts für Technologie mehr als 200 „Personen, die sich beruflich mit Zukunftsvorstellungen beschäftigen“, angeschrieben. Die Zwischenergebnisse aus dem November 2020 liegen in Form einer Präsentation vor

  • Zum Zusammenhang von falscher Coronapolitik, dem Leugnen des Klimawandels und neoliberaler Ideologie haben Naomi Oreskes und Eric Conway, von denen auch das Buch Merchants of Doubt (siehe Kapitel 1) stammt, im April 2020 einen hellsichtigen Gastbeitrag in der Los Angeles Times geschrieben

Übrigens …

Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

  • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
  • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.