Kunstwerke lassen Menschen anders über die Klimakrise nachdenken: kreativer, achtsamer, offener und auf der Suche nach versteckter Bedeutung. Ein ebenso großes Potenzial haben Spiele: Durch sie können Menschen das Thema Klimakrise, sich selbst und ihre Umgebung neu erleben und Informationen neu bewerten. „Wenn ich etwas höre, vergesse ich es. Wenn ich etwas sehe, erinnere ich mich. Wenn ich etwas tue, verstehe ich“, heißt es nicht umsonst im Vorwort zum System Thinking Playbook.
Ein packendes Beispiel einer literarischen Verarbeitung der Klimakrise ist Barbara Kingsolvers Roman Flight Behaviour: Die Heldin entdeckt am Anfang des Buchs ein äußerst ungewöhnliches Naturschauspiel: Millionen von Monarchfaltern haben sich auf einem Bergrücken in Tennessee niedergelassen. Die wandernden Insekten mit bis zu zehn Zentimetern Spannweite leben im Sommer vor allem in Kanada, fliegen im Herbst in großen Schwärmen zum Überwintern Tausende Kilometer nach Süden und kehren im Frühjahr zurück.
Ihre Winterhabitate in Mexiko oder Florida sind allerdings inzwischen vom Klimawandel und anderen menschlichen Eingriffen zerstört. Ungewöhnliche Stürme und Wetterereignisse wehen sie von ihrem Kurs ab. Die Appalachen in Tennessee gehören für gewöhnlich nicht zu ihren Zielen, dort ist der Winter zu kalt. Aber im Roman ist ein Schwarm nun einmal dort gelandet, und die Handlung nimmt ihren Lauf. In der literarischen Form des Romans erlebt das Publikum mit, warum manche Menschen in den USA partout nichts von der Klimakrise wissen wollen, und wie die Wörter der Umweltschützer aus den reichen Küstenstädten bisweilen an den Provinzbewohnern vorbeiwehen. Rein faktische Texte könnten niemals den gleichen Eindruck hinterlassen.
Künstlerische Ausdrucksformen können ungewohnte Blickwinkel einnehmen, und häufig stellen sie eine unmittelbare und emotionale Wirkung in den Vordergrund. Das eröffnet komplett neue Wege, Menschen zu erreichen (dasselbe gilt für humoristische Zugänge oder für Spiele). Wer mit Kunst konfrontiert ist, schreibt ein Forschungsteam um Lieselotte Roosen und Christian Klöckner von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU), aktiviert „Teile des Gehirns, die von der normalen Kommunikation über den Klimawandel nicht erreicht werden.“ Kunstwerke machten achtsam und begünstigten „kreativeres Denken, weil Leute versuchen, herauszufinden, was gemeint ist.“
Ohnehin erscheint es angemessen und notwendig, dass sich Kreative mit der Klimakrise beschäftigt. Es ist, dem kanadischen Philosophen und Medientheoretiker Marshall McLuhan zufolge, geradezu ihre Aufgabe
„Ich betrachte Kunst, in ihrer wichtigsten Funktion, als ein Frühwarnsystem: Man kann sich darauf verlassen, dass sie einer alten Zivilisation erklärt, was gerade mit ihr zu passieren beginnt.“
Dieses Kapitel unseres Handbuchs möchte zu einem kreativen Umgang mit der Klimakrise anregen. Es stellt einige Beispiele für künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema vor (viele weitere enthält die ausführliche Kapitelversion, die Sie hier als PDF-Datei herunterladen können). Und es soll Sie dazu bringen, zu überlegen, ob sich etwas davon für Ihre Kommunikationspraxis nutzen lässt.
Die Möglichkeiten hierzu sind vielfältig: Sie können zum Beispiel als Teil eines Vortrags Kunstwerke zeigen, über Ihre eigene Reaktion darauf sprechen und Ihre Zuhörer:innen nach ihrer fragen. Sie können auf Veranstaltungen Passagen aus Romanen lesen (lassen), Clips aus Filmen zeigen, Musikstücke einspielen. Oder Ihren Platz auf dem Podium auch mal ganz für eine Künstlerin, einen Künstler räumen. Dies alles fängt aber damit an, dass Sie selbst wahrnehmen, was die Kultur im weitesten Sinne zu bieten hat und leisten kann. Ausstellungen, Konzerte oder Lesungen zu besuchen, weckt womöglich auch bei Ihnen Inspiration.
Barbara Kingsolvers Roman von 2012 (in Deutschland erschienen unter dem Titel Das Flugverhalten der Schmetterlinge) gehört zum relativ neuen Genre der Climate Fiction (CliFi). Viele der Bücher beschreiben eine Zukunft, in der eingetreten ist, wovor die Wissenschaft heute warnt: Das Klima hat sich tiefgreifend gewandelt, und die Folgen sind teils fürchterlich. In den Texten geht es darum, „dem Wissen um zukünftige Schrecknisse auch deren Erfahrbarkeit hinzuzufügen“, wie es der Literaturwissenschaftler Samuel Hanen in einem Essay auf Zeit Online beschreibt – weil man sich mit den Protagonisten identifiziert, die in den geschilderten Zuständen leben.
Die Geschichten reichen von apokalyptischen Dystopien bis zu hoffnungsvollen Utopien. In die erste Kategorie gehören Bücher wie Milchzähne von Helene Bukowski, in denen die drei Heldinnen isoliert in einer verwüsteten, vertrockneten Landschaft Norddeutschlands leben und mit Einsamkeit und zugleich Ablehnung durch die letzten Reste von Gemeinschaft kämpfen. Oder Malé von Roman Ehrlich: Er beschreibt die Erlebnisse und vor allem Gefühle einer bunt gemischten Truppe von Geflüchteten, die sich auf die vom ansteigenden Meeresspiegel schon halb überschwemmte Hauptinsel der Malediven gerettet haben. Ilija Trojanows EisTau handelt von einem Gletscherforscher, der erst in den Alpen, dann in der Antarktis das Verschwinden des vermeintlich ewigen Eises erleben muss und darüber in eine Krise gerät.
Zur zweiten Kategorie zählen Romane wie Die Wurzeln des Lebens von Richard Powers, der über mehrere Generationen den Freunden und Beschützern der Bäume im Westen der USA folgt, oder Dirk C. Flecks Roman Maeva, in dem eine junge Politikerin aus Polynesien der schon von der Klimakrise gebeutelten Welt neue Wege zeigt. In The Ministry for the future von Kim Stanley Robinson setzen die Vereinten Nationen eine Art Weltregierung mit Sitz in Zürich ein, die die Menschheit in eine klimafreundliche Zukunft führt (hier eine Rezension bei klimafakten.de).
Desaster, Apokalypse, Dystopie – das ist es vor allem, was das Kino am Klimawandel interessiert. Gelegentlich gibt es einen Bösewicht, der/die zum Beispiel das Wetter zum eigenen Vorteil manipulieren oder die Menschheit radikal reduzieren will. Und eine Heldenfigur, die die Welt im Großen oder im Kleinen rettet – oft im Alleingang. Nach anderthalb Stunden braucht es jedenfalls einen Showdown. Und ein Happy End.
Das ist zusammengefasst die Bilanz eines Überblicksartikels, den Michael Svoboda von der George Washington University 2016 über CliFi-Spielfilme veröffentlicht hat. Er identifizierte dafür 55 Filme aus den Jahren 1984 bis 2015, die von Roland Emmerichs Das Arche-Noah-Prinzip (seiner Abschlussarbeit an der Filmhochschule) bis zu Kingsman mit Colin Firth reichen. Manche Filme nutzen zunehmende Dürren auf der Erde als Hintergrund für ein Weltraumabenteuer (Interstellar). Andere nehmen die Klimakrise zum Anlass, niedlich animierte, sprechende Pinguine zu zeigen (Happy Feet 2), oder interessieren sich für die Lebensweise in einer Welt, in der die Polkappen geschmolzen sind (Waterworld).
Oft kämpfen sich Held:innen durch extrem widrige Wetterbedingungen. Nur sehr selten geht es in der Handlung darum, Lehren aus den gezeigten Klimaveränderungen zu ziehen oder ihnen gar vorzubeugen. Ein einsames Beispiel, Chloe rettet die Welt von 2015, ist bei der Kritik eher durchgefallen.
Am Ende seiner Analyse zeigt sich Svoboda einerseits überrascht, wie viele Filme zum Thema er gefunden hat – andererseits aber auch ziemlich desillusioniert. Er beklagt, die Gesetze des Kinos würden die Realität der Klimakrise systematisch verzerren und deshalb häufig irreführende Eindrücke vom Problem und von Lösungsmöglichkeiten vermitteln.
Einer reichen Auswahl aus Special-Effects- und Action-lastigen Katastrophenfilmen stehen nur wenige Filme gegenüber, die eine positive Sichtweise haben. Sie könnten Figuren zeigen, die die Verhältnisse zu ändern versuchen wie in Chloe rettet die Welt – oder eine Zukunft präsentieren, in der Klimaschutz oder Nachhaltigkeit gelungen sind. Als Beispiel eines solchen Films nennt der Filmwissenschaftler Simon Spiegel von der Universität Zürich in seiner Habilitationsschrift über Utopien im Film eigentlich nur den Blockbuster Avatar – Aufbruch nach Pandora von James Cameron.
Er erklärt diese Tatsache wie folgt: „Der Kern jeder Erzählung ist ein Konflikt; und genau so, wie nur unglückliche Liebesgeschichten Stoff für eine interessante Erzählung bieten, bietet auch das gesellschaftliche oder ökologische ,Glück‘ wenig Potenzial für eine interessante Story.“ Außerdem habe der Kinofilm, anders als ein Roman, wenig Mittel, um in der Handlung innezuhalten und Informationen über eine komplizierte Materie nachzuliefern. „Und langsame, graduelle Entwicklungen“, sagt Spiegel, „sind schlecht für den Plot eines 90-minütigen Spielfilms geeignet.“
Anders sieht das in dem Genre Dokumentation aus. Viele Dokus zeigen Menschen, die sozusagen auf Inseln der Zukunft mitten in der Gegenwart leben (dieser Gedanke war uns schon in Kapitel 10 begegnet). Die Regisseur:innen führen dann jene Lösungsansätze vor, die die Protagonist:innen dort entwickeln, nutzen und propagieren. Beispiele sind 2040, Tomorrow und Zeit für Utopien. Überhaupt gibt es viele Dokumentarfilme zur Klimakrise – laut Wikipedia bereits mindestens 50, darunter Al Gores Eine unbequeme Wahrheit oder Leonardo DiCaprios Before the Flood, die beide die Warnung vor den kommenden Problemen mit der Präsentation von Lösungsansätzen verbinden.
Über die Frage, wann Filme nützlich für die Klimakommunikation sein können, hat zum Beispiel Kate Manzo von der University of Newcastle nachgedacht. Sie betont vor allem, dass es fundamentale Unterschiede zwischen wissenschaftlicher Arbeit und der filmischen Behandlung wissenschaftlicher Inhalte gibt. Eine Filmcrew lege sich auf eine Geschichte fest und erzähle sie mit den üblichen Mitteln des Mediums. Dazu gehören Emotionen und Empathie, aber auch eine Botschaft im Sinne der Weiterbildung des Publikums. Objektivität, Vollständigkeit und Ausdifferenzierung hingegen zählen, anders als in der Forschung, nicht zwingend zu den Aufgaben von Filmemacher:innen.
Debatten über vermeintliche Ungenauigkeiten seien darum unvermeidlich, so Manzo, aber auch unschädlich oder sogar willkommen. Fakten und vermeintliche Verkürzungen zu sortieren, stelle oft einen teachable moment dar – also einen Augenblick, in dem Zuschauer:innen innerlich bereit seien, Informationen aufzunehmen oder falsche Vorstellungen zu korrigieren.
Auch auf Theaterbühnen und in der Bildenden Kunst ist die Klimakrise seit Jahren Thema. Beispiele aus diesen Genres finden sie in der Langfassung dieses Kapitels – Sie können es hier als PDF-Datei herunterladen.
Im Video zu All good girls go to hell schleppt sich Billie Eilish als Schutzengel mit ölverklebtem Gefieder durch eine höllische Landschaft und singt von den Waldbränden in Kalifornien. Bodo Wartke spießt in seinem Song Regen auf vergnügliche Weise die Niederschlagsextreme in der Klimakrise und die verfehlte Politik auf. Johanna Zeul zeigt in ihrem Song Eisbär ein Exemplar der arktischen Raubtiere, das als Barkeeper in Berlin arbeiten muss, weil seine polare Heimat zerstört ist. Und Wolfgang Niedecken von Bap singt in Absurdistan von den ignorierten Fakten der Wissenschaft.
Lange Zeit wirkte es, als täte sich insbesondere die Pop-Musik etwas schwer mit dem Klimathema. Doch inzwischen sind etliche Stücke aus verschiedensten Genres erschienen, die sich mit der Klimakrise beschäftigen oder zumindest Umweltverschmutzung und die eingeschränkten Zukunftsaussichten der Jugend zum Thema machen. Längst gibt es sogar einen (laut Eigenwerbung) „peer-reviewten Klima-Rapper“, den Kanadier Baba Brinkmann. Der sehr viel berühmtere US-Amerikaner Lil Dicky versammelte 2019 für seinen Song Earth Dutzende Gastsänger:innen, darunter Weltstars wie Justin Bieber, Ariana Grande oder Katy Perry. Das Video – ein selbstironischer Clip zu dem arg süßlichen, siebenminütigen Lied – wurde allein auf YouTube mehr als 300 Millionen Mal angesehen.
Bei früheren sozialen Bewegungen hatte populäre Musik eine enorme Wirkung, zum Beispiel, um die Mitglieder zusammenzuschweißen. Eine vergleichbare Mobilisierung ist bei den Klimaaktivist:innen bisher erst in Ansätzen zu erkennen. Warum das so ist und welche Perspektiven sich bieten, fasst ein Artikel für das Portal KlimaSocial auf riffreporter.de zusammen, inklusiver zweier Playlists (hier und hier).
Verglichen mit den üblichen Mitteln der politischen Kommunikation bietet Musik sowohl mehr Breite als auch Tiefe, sagt der Politikwissenschaftler Thorsten Philipp von der Technischen Universität Berlin. Ein Popsong spreche durch seinen Text, die Musik und die Vorführung des Gesamtwerks eine „Vielfalt an Sinndimensionen“ an. Der Inhalt sei zwar oft weniger Politik und mehr „Politainment“, aber genau dadurch trage Musik die Wahrnehmung ökologischer Probleme „in gesellschaftliche Schichten (…), die für konventionelle Wege der Nachhaltigkeitskommunikation kaum zugänglich sind“.
Darum gehört Musik zu den Ausdrucksformen der Jugendbewegung Fridays For Future (FFF), die nicht nur Playlists auf Spotify veröffentlicht, sondern auch selbst Musikstücke wie Fight every crisis produziert und samt Video auf Plattformen wie YouTube stellt.
Die klassische Musik ist ebenfalls als Mittel der Klimakommunikation geeignet. 2019 führte zum Beispiel das NDR-Elbphilharmonie-Orchester in Hamburg unter dem Dirigenten Alan Gilbert eine adaptierte Version von Vivaldis Vier Jahreszeiten auf. Aus dem ursprünglichen Titel Four Seasons wurde For Seasons, also „für die Jahreszeiten“. Dafür arbeitete ein Entwicklungsteam Datensätze der Klimaforschung in die Partitur ein und ließ zum Beispiel den Frühling mit dem Sommer verschwimmen, Vogelstimmen verstummen, verschob harmonische Passagen Richtung Disharmonie, machte Stürme wilder.
In dem Stück A song of our warming Planet verfolgt Daniel Crawford von der University of Minnesota die Temperaturkurve auf seinem Cello nach und verteilte den Temperaturanstieg seit 1880 auf die drei Oktaven Klangumfang. Jeder Halbtonschritt entsprach so etwa einem Dreißigstel Grad Erwärmung.
Dies sind Ausprägungen einer „Daten-Sonifikation“ genannten Methode, die Fakten des Klimawandels zum Klingen zu bringen. Zudem wurden bei beiden bisherigen Konferenzen zu Klimawandel, Kommunikation und Gesellschaft (K3) Musikstücke zum Thema uraufgeführt: Klimageräusche 2017 in Salzburg und Als würden Aliens Gregorianik singen 2019 in Karlsruhe.
„Wer uns etwas Ernstes über die Welt sagt und uns gleichzeitig zum Lachen bringt, (…) weckt Hoffnung und Optimismus bei vermeintlich hoffnungslosen Problemen“, schreiben Caty Borum Chatoo und Lauren Feldmann in einer Einführung zu ihrem Buch A Comedian and an Activist Walk into a Bar. Humor sei sowohl entwaffnend als auch subversiv, ergänzen Max Boykoff und Beth Osnes von der University of Colorado in Boulder in einer Analyse:
„Comedy kann die Bruchlinien von Argumenten ausschlachten, darin herumstochern und die Aufmerksamkeit auf das lenken, was ungereimt, falsch, heuchlerisch oder aufgeblasen ist.“
Als Kommunikationsmittel in der Klimakrise werde Humor jedenfalls zu wenig genutzt – dabei könne er Türen öffnen, besonders zur Jugend, und all die Menschen verbinden, die gemeinsam lachen können.
Allerdings ist Humor wie praktisch alle Kunst (und damit sämtliche Beispiele, die in diesem Kapitel erwähnt sind) in hohem Maße dem persönlichen Geschmack unterworfen. Versuche, Humor einzusetzen, können deshalb auch schiefgehen oder das Publikum auf dem falschen Fuß erwischen. Eine kleine, ausdrücklich subjektive Auswahl witziger Clips hat die Redaktion von klimafakten.de vor ein paar Jahren veröffentlicht – darunter zum Beispiel dieser australische Kurzfilm: Er lässt im Stil eines Selbstlob-Unternehmensvideos Manager:innen eines imaginären Kohlekonzerns auftreten, die in wohlgesetzten Worten das neue Firmenmotto präsentieren: „Fuck you!“ – es sichert „solide Renditen für unsere Aktionäre durch das Töten ihrer Enkel“.
Weitere Hintergründe dazu, was Humor leisten kann und welche Risiken es gibt, warum man über Zweck, Form und Publikum genau nachdenken sollte – und vieles mehr finden Sie in der Langfassung dieses Kapitels – Sie können es hier als PDF-Datei herunterladen.
Spielen ist kein hohler Zeitvertreib oder muss es nicht sein – sondern eine der besten Methoden, etwas zu lernen. „Gute Spiele schaffen eine emotionale Bindung zum Thema und erlauben es, die eigene Wirksamkeit zu erleben“, so Christian Klöckner on der Trondheimer NTNU. In seinem Buch über Klimakommunikation jenseits der Standardstrategien widmet er dem Thema ein eigenes Kapitel. „Man kann in der Situation versinken und direkt erleben, welche Effekte die eigenen Handlungen haben, selbst wenn diese Effekte verzögert auftreten.“
Hinzu kommen laut Klöckner die soziale Kommunikation mit den Mitspieler:innen über die gemeinsame Aufgabe sowie Einsicht in die Perspektive unbekannter Gruppen. „Oft übernimmt man im Spiel Rollen, die man in Alltag nicht hat oder haben möchte – auch solche, die in der Realität gegen die eigenen Werte verstoßen würden“, sagt er.
Spiele zur Klimakrise gibt es in vielerlei Formen – wir haben hier einige zusammengestellt:
Viele Spiele sind für größere Gruppen konzipiert, und dann kann es um das gegenseitige Kennenlernen gehen („Klima-Bingo“ in einer Spielesammlung von Germanwatch), um das Herumrennen („Greenhouse Gas Game“ in einer Aufstellung des Red Cross Red Crescent Climate Center) oder das gemeinsame Ausknobeln einer Strategie („Harvest“ im Systems Thinking Playbook – das übrigens auch wegen vieler anderer Ideen sehr empfehlenswert ist).
Eine Unterkategorie sind Rollenspiele wie die Simulation von Klimagipfeln („C-Roads“ oder „En-Roads“ von Climate Interactive), das Spiel „Nomic“ von Peter Suber, bei dem man in der Gruppe versucht, sich selbst die passenden Regeln zu geben, oder das in der Schweiz entwickelte Spiel „TriCO2lor“.
Manche Spiele lassen sich wie ein Stand auf dem Jahrmarkt organisieren, etwa für Kaffeepausen auf einer Konferenz. Ein Beispiel ist „Landpakt“ von Anja Hansen vom Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam, bei dem Vorbeikommende in die Rolle von Landwirten schlüpfen, die mit begrenzten Mitteln möglichst viele Treibhausgase einsparen möchten. Das Exzellenz-Cluster Klima der Universität Hamburg hat zu dem Spiel „Stadtklimaarchitekt“, das man hier online spielen kann, auch einen Multitouch-Tisch für Ausstellungen.
Andere Spiele nutzen traditionelle Hilfsmittel wie Karten („Planet A“) oder ein zentrales Brett mit Würfeln und Figuren wie beim Ölquellen-Szenario für die „Siedler von Catan“.
Und dann gibt es natürlich Videospiele, die man allein („Fate of the world“) oder über das Netz zusammengeschaltet spielt. Bei „Keep Cool“ zum Beispiel versuchen bis zu 50 Personen mit ihrem Handy als Bürgermeister:in globaler Metropolen je für sich die eigene Stadt voranzubringen und gemeinsam die Erderhitzung zu bremsen (dieses Angebot hat sich wiederum aus einem Brettspiel entwickelt).
Eine Reihe von Spielen machen mit verschiedenen Hilfsmitteln das Phänomen der Fake News zum Thema. In „Bad News“ wie in „Fake it to make it“ soll man die Mechanismen kennenlernen – und anwenden. Im „FakeFinder“ des Senders SWR versucht man, überspitzte Beiträge in den sozialen Medien einzuordnen. Und im Spiel „Cranky Uncle“ von John Cook und dem Skeptical-Science-Team geht es darum, verschiedene Behauptungen aus der Leugner-Szene der jeweiligen Kategorie von Denkfehlern und Manipulationen zuzuordnen (darauf werden wir in Kapitel 18 zurückkommen).
Oft werden solche Spiele unter der Überschrift serious games, also „ernste Spiele“, zusammengefasst. Damit ist gemeint, dass sie primär einem anderen Zweck dienen als der puren Unterhaltung – also vor allem dem Erlernen komplizierter Zusammenhänge oder dem Einüben von Rollen oder Verhaltensweisen, die dann in den Alltag übertragen werden sollen. Damit dies funktioniert, ist es oft sehr wichtig, die Spiele in ein Seminar einzubetten- und anschließend in einer Art Debriefing in der Gruppe zu besprechen, was eigentlich passiert ist und was das bedeutet. Für Online-Spiele sollten gute und attraktive Erklärseiten erstellt werden.
„Viele dieser Spiele entstehen mit guten Vorsätzen und guten Ideen in Universitäten oder bei NGOs als pädagogisches Werkzeug“, sagt Christian Klöckner, „aber oft ohne erfahrene Spieleentwickler.“ Das kann zum Problem werden, weil die Produkte dann nicht in erster Linie als gutes Spiel „funktionieren“. Dazu müssten sie eben doch Unterhaltung und Spaß bieten. Der Vorteil ist dann nämlich, dass sie ihre Nutzer:innen aus sich selbst heraus motivieren, sie immer wieder hervorzuholen. „Dazu muss es auch eine Variabilität geben“, so der Psychologe, „also die Möglichkeit, beim zweiten oder dritten Mal etwas ganz anderes zu erleben oder eine andere Strategie zum Erfolg oder Sieg zu nutzen.“
Geschichten und Narrative haben Erfolg, wenn sie sich weiterverbreiten
Kunstwerke, Witze oder Spiele sollten nicht die Fehler der breiteren Kommunikation wiederholen, warnt die US-Medienwissenschaftlerin Joanna Nurmis von der University of Maryland (siehe dazu ein Artikel bei klimafakten.de): Eine „Bildsprache der apokalyptischen Erhabenheit“, die zum Beispiel einfach verwüstete Landschaften zeigt, kann Betrachter:innen geradezu überwältigen. Der ausgelöste Schock motiviert selten zur Handlung, sondern löste meist eher Rückzug und Fatalismus aus (dazu kommen wir in Kapitel 15 noch im Detail).
Außerdem sollten die Kunstwerke, wenn sie einen breiten Effekt in der Öffentlichkeit erzielen wollen, auch wirklich Kunst sein. (Wenn Sie kreative Methoden in einem Seminar nutzen, wird hingegen niemand den Anspruch haben, dass dabei gleich echte Kunst entsteht.) Es ist eben ein Unterschied, ob der isländische Künstler Olafur Eliasson Eisblöcke ausstellt oder Bill McKibbens Organisation mit Menschenketten oder Tüchern Figuren in die Landschaft „malt“, die auf Luftaufnahmen erkennbar werden. Bei letzterem überwiegt der Agitationswert, bei ersterem der künstlerische Ausdruck. Die Kunstwelt nehme kreative Aktionen von Umweltgruppen nicht ernst und halte sie für „zu instrumentell, als dass sie irgendeinen bleibenden oder inneren ästhetischen Wert besitzen könnten“, erklärt Nurmis.
Die elementare Funktion der Kunst sei es, Emotionen nicht nur auszulösen, sondern auch zu formen, ergänzt Nicolas Bullot von der Macquarie University in Sydney in einem Aufsatz. Die Gefühle könnten im Zusammenspiel mit sozialen Normen die Bereitschaft zu kooperativem und sozialem Verhalten fördern und zu kritischem Denken anregen. „Auf diese Weise kann es Kunst mit einem Umweltbezug vermeiden, zu simplizistischer Propaganda zu werden.“
Fazit
Kunst in allen ihren Formen kann ebenso wie Spiel und Humor die Kommunikation zur Klimakrise auf neue Ebenen heben. Selbermachen ist dabei (wie so oft) besser als nur zugucken, weil es eigene kreative Überlegungen anregt. In der Kommunikation nach außen sollte man aber eher auf die Aussagekraft echter Künstler:innen setzen.
Für die Praxis der Klimakommunikation heißt das: Künstlerische Zugänge zum Thema wahrzunehmen und bewusst einzusetzen, eröffnet oft neue Blickwinkel und lenkt die Gedanken auf unbekannte Bahnen. Es kommt dabei entscheidend darauf an, wie die Bilder, Skulpturen, Bücher, Stücke, Sketche und Rollen- oder Brettspiele in Ihre Kommunikationsvorhaben eingebettet werden. Wo immer möglich, sollten Sie Zeit einplanen, die persönlichen Eindrücke gemeinsam mit anderen Menschen zu besprechen und zu verarbeiten.
Sie haben %OSCORE% von %MSCORE% Antworten richtig getippt.
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Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen: