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Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Christopher Schrader, Handbuch-Autor

Der Mensch ist ein Geschichten-Wesen. Seine Normen und Werte entnimmt er Erzählungen, mit ihnen verleiht er Beobachtungen einen Sinn. Wer Erzählungen hört oder liest, vermag sich zudem in die Mitglieder fremder Gruppen hineinzuversetzen und ihre Perspektiven zu verstehen. Geschichten können deshalb ein gutes Hilfsmittel sein, damit Menschen Informationen zum Klimawandel auch emotional verarbeiten. Begriffe wie „Storytelling“ oder „Narrativ“ haben eine steile Karriere gemacht – doch man sollte Geschichten nicht unreflektiert einsetzen.

Bedeutung von Geschichten

Wir Menschen, formuliert es der US-Soziologe Jeffrey Alexander, sind „das Geschichten-erzählende Tier“. Der Historiker Yuval Noah Harari räumt in seinem Bestseller Eine kurze Geschichte der Menschheit dem Erzählen sogar eine zentrale Rolle in der menschlichen Evolution und eine unverzichtbare Stellung in der sozialen Ordnung ein: „Nur der Mensch kann über etwas sprechen, das gar nicht existiert. (…) Mit der fiktiven Sprache können wir uns nicht nur Dinge ausmalen – wir können sie uns vor allem gemeinsam vorstellen. Wir können Mythen erfinden, wie die Schöpfungsgeschichte der Bibel, die Traumzeit der Aborigines oder die nationalistischen Mythen moderner Nationalstaaten. Diese und andere Mythen verleihen dem [Homo] Sapiens die beispiellose Fähigkeit, flexibel und in großen Gruppen zusammenzuarbeiten.“

In vielen Situationen ist das Erzählen von Geschichten die beste Methode, Menschen zu erreichen und zu bewegen. Geschichten (auch Narrationen genannt) erlauben uns auch, den Blickwinkel einer anderen Person zu übernehmen und ihre Perspektive zu erleben. Erzählungen können also auch geistige Mauern überwinden. Das ist dort besonders wichtig, wo das Phänomen des kulturell geprägten Denkens (engl.: cultural cognitionKapitel 2) die Verständigung erschwert, weil die politische Haltung zur Klimakrise eine Frage von Gruppenidentität und -zugehörigkeit geworden ist.

Dem Sprechen über die Klimakrise fehlt oft die Verbindung mit dem Leben

Doch gehören Geschichten einerseits und Argumente andererseits zu zwei unabhängigen Methoden des Denkens. „Argumente überzeugen durch Wahrheitsgehalt, Geschichten durch Lebens-Ähnlichkeit“, hat der Harvard-Entwicklungspsychologe Jerome Bruner in seinem Buch Actual Minds, Possible Worlds festgestellt.

Unsere (westliche) Kultur hat die beiden Denkmodi fein säuberlich in verschiedene Schubladen gepackt: Rationales Argumentieren gehört traditionell eher zur Welt der Wissenschaft, emotionales Erzählen eher in die Kunst. Das hat dazu geführt, dass der Klimawandel bislang meist mit kalten Fakten, Daten und Grafiken kommuniziert wurde – weil er ein Thema ist, das ursprünglich aus der Wissenschaft stammt.

Viele wunderten sich, wie wenig Erfolg sie mit dieser Art der Klima-Kommunikation hatten. Aber mit Bruners analytischem Blick ist die Antwort klar: Dem Sprechen über die Klimakrise fehlte eben die Verbindung mit dem Leben. Motivierende, zur Empathie und Reflexion anregende Geschichten zu finden und zu erzählen, ist ein starkes Mittel in der professionellen Kommunikation. Denn diese Geschichten können für jede Person individuell zur Realität werden, können Wünsche und Erwartungen formen, Sinn und Halt geben.

Frames

Beispiele

Hier einige Beispiele für erfolgreiche Geschichten zum Durchklicken:

Ein Bauer gegen RWE

Im Jahr 2015 reicht der peruanische Bauer Saúl Luciano Lliuya (unterstützt von der Organisation Germanwatch) vor einem deutschen Gericht Klage gegen RWE ein. Sein Heimatort im Andenhochland wird von einem Stausee bedroht, der wegen der Gletscherschmelze immer weiter anschwillt. Lliuya macht den deutschen Betreiber von Braunkohlekraftwerken mitverantwortlich für die Erwärmung in der Bergregion. Der Prozess wird von Germanwatch als David-gegen-Goliath-Geschichte aufbereitet, und der Gang durch die Instanzen bietet immer neue Anlässe, sie zu erzählen.

Climate Story Lab

Das Climate Story Lab hat 2019 und 2020 in New York, London und Berlin Filmemacher:innen und anderen Kreativen die Chance geboten, zusammen an ihren Erzählprojekten zu arbeiten. Gefördert wurden und herausgekommen sind Gedichte, Podcasts, Videos und andere Formen des Ausdrucks. Es ging dabei darum, mit künstlerischen Mitteln in den Kampf gegen die Klimakrise zu gehen, die Vielfalt der Ausdrucksformen zu erweitern (inkl. Comedy) und neue Koalitionen zu bilden.

Der Papst und das Klima

Laudato sí heißt die Enzyklika, in der Papst Franziskus im Jahr 2015 Umwelt und Klima mit sozialer Gerechtigkeit verknüpft hat. Er stellt den Text in die Tradition seiner beiden Vorgänger und bettet sie ein in den Sonnengesang – ein Gebet seines Namenspatrons Franz von Assisi. Damit nimmt das Lehrschreiben expliziten Bezug auf die Heiligengeschichten der Kirche und letztlich auch auf die Erzählungen im Neuen Testament, die eine Grundlage des christlichen Glaubens darstellen.

Klimaprotest auf Bayerisch

Was macht der Klimawandel 2030 mit den bayerischen Bauern? Das fragte sich 2018 der Filmemacher Lukas Baier – und heraus kam ein schließlich preisgekrönter Kurzfilm. Darin tuckert der Landwirt im Lodenjanker mit einem uralten Traktor nach München und versucht dort, die Umstellung seines Betriebs auf Orangenzucht anzumelden. Dass er sich mit seinem Dialekt im Ministerium kaum verständlich machen kann, ist nur eines der Probleme.

Climate Fiction

Zum Genre der Climate Fiction gehört der Roman Flight Behavior von Barbara Kingsolver. Er spielt im ländlichen Tennessee, wo die Heldin Millionen Monarchfalter entdeckt. Diese Schmetterlinge überwintern normalerweise in Mexiko, aber die veränderten Stürme und Wettersysteme haben sie in die Täler der Appalachen gedrängt. Der Fund wird zur Sensation, die Presse überrollt das Kaff – aber niemand fragt wirklich, warum die Insekten plötzlich da sind. Der Roman zeigt vor allem, wie die Menschen in den USA kommunizieren, warum manche partout nichts von der Klimakrise wissen wollen, und wie Umweltschützer an Provinzbewohnern vorbeireden.

 

Begriffe wie „Storytelling“, „Narration“ oder „Narrative“ haben in den vergangenen Jahren in der Theorie und Praxis der Kommunikation eine steile Karriere gemacht. In der Langfassung dieses Kapitels (hier als PDF-Datei herunterladen) finden Sie detaillierte Definitionen dieser und anderer relevanter Begriffe.

In fünf Schritten zur überzeugenden Klimageschichte

Es gibt verschiedene Methoden, Erzählungen zu konstruieren. Die folgenden fünf Schritte zu einer überzeugenden Klimageschichte empfiehlt ein Eintrag in der Oxford Research Encyclopedia of Climate Science. Michael Jones und Holly Peterson von der Oregon State University schreiben dort über „narrative persuasion“, also erzählerische Überzeugungsarbeit:

  1. Schritt: der Entschluss, Botschaften und Informationen in Form einer Geschichte aufbereiten zu wollen.
  2. Schritt: Aufbau und Rahmen der Erzählung an das jeweilige Zielpublikum (siehe dazu Kapitel 3 und Kapitel 5) anpassen. Konkret: Definieren, wer das Zielpublikum der Geschichte ist und welche Werte und Ansichten, welche Sprache, welches Wissen und welche gemeinsam anerkannten Regeln es verbindet.
  3. Schritt: Rollenbilder zuweisen (zum Beispiel Heldinnen, Schurken und Opfer) und für Identifikation sorgen. Die Protagonist:innen sollten beim Publikum positive Emotionen auslösen, Motivation, Tatkraft und Einfluss ausstrahlen. Sie können dem Publikum Information und politische Lösungen nahebringen, die vorher womöglich inakzeptabel oder zumindest unbequem gewesen wären. Schurk:innen sollten nicht zu stark sein, um angesichts beim Publikum keine Gefühle von Hilflosigkeit auszulösen.
  4. Schritt: Handlung überlegen. Erzählung in Raum und Zeit einordnen, das Problem definieren und Verantwortung zuweisen. Spezifische Informationen über das Zielpublikum einfließen lassen.
  5. Schritt: (Auf)Lösung für das dargestellte Problem in positiven Beispielen („Die Moral von der Geschicht‘“)
Zur Geschichte in fünf Schritten

UND, ABER, DESHALB – drei Wörter für eine gute Geschichte

Der Meeresbiologe und Filmemacher Randy Olson vertritt den Standpunkt, die vielen von der Wissenschaft und Forschung erarbeiteten Erkenntnisse und Informationen könnten von einem breiten Publikum nur noch in narrativer Form verarbeitet werden. Sein Rezept für gute Geschichten ist das ABT-Muster. Die Abkürzung steht für die englischen Bindeworte AND, BUT und THEREFORE, die die Grundelemente einer Geschichte strukturieren und verbinden – zu Deutsch: UND, ABER und DESHALB. Diese drei Wörter lassen sich am besten mit Scharnieren vergleichen: Sie verbinden einzelne Elemente einer Geschichte sinnvoll miteinander.

Olson empfiehlt also zwei Sätze zur Ausgangslage, die durch ein UND verknüpft sind, wobei der zweite Satz den Charakter einer logischen Ergänzung annehmen kann. Dann folgt nach dem ABER ein Satz des Widerspruchs oder Bruchs in der Erzählung. Und schließlich die Folgerung oder Veränderung hinter dem DESHALB. Hinter diesem Dreischritt steht auch das Prinzip: Lage-Konflikt-Auflösung – und das sind die unverzichtbaren Elemente jeder Geschichte. In einem TED-Vortrag erläutert Olson das ABT-Muster sehr unterhaltsam und verständlich:

Grundstruktur in drei Wörtern

Ein simples Beispiel der Struktur, angewendet auf das Klimathema, liefert Olson in einem Artikel für das Wissenschaftsmagazin Science: „Der Meeresspiegel war 8000 Jahr lang relativ stabil, UND Küstenstädte sind mit der Annahme eines stabilen Meeresspiegels aufgebaut worden. ABER die Meeresspiegel sind in den vergangenen 150 Jahren angestiegen. DARUM ist jetzt ein neuer Ansatz in der Küstenplanung nötig.“ Handelnde Personen, so Olsen, lassen sich einfügen, wenn erst einmal die Struktur stehe. Die Geschichte zu vermenschlichen, ist eine weitere Dimension zur Steigerung der Wirkung.

Demgegenüber wäre eine bloße Aneinanderreihung von Fakten mit lauter UNDs wohl ziemlich langweilig. Doch viele Wissenschaftler:innen, sagt Olsen, kämen in ihren Vorträgen über dieses Stadium kaum hinaus. Das Gegenteil von Lebendigkeit sei es, in seine Vorträge (wie aus fachlichen Debatten gewohnt) weitere Differenzierung durch viele ABER-Synonyme wie hingegen, indes, freilich oder trotzdem einzufügen. Wer diesen Impuls spürt und ihm nachgibt, wird sein Publikum meist nur verwirren und so verlieren. (Das ABT-Schema wird übrigens auch von der britischen Organisation Climate Outreach in einem Handbuch für Wissenschaftler:innen empfohlen.)

Grundstruktur in drei Wörtern II

Die Heldenreise – ein universelles Grundmuster spannender Geschichten

In vielen Geschichten und Erzählungen, Sagen und Märchen findet sich ein wiederkehrendes Grundmuster: die Heldenreise. Der US-Literaturwissenschaftler Joseph Campbell nannte sie den „Monomythos“, der in vielen Kulturkreisen verbreitet ist. Das Grundmuster lässt sich bei Charlotte Brontë und Mark Twain ebenso identifizieren wie bei Star Wars oder in der Lebensgeschichte des Buddha Siddhartha Gautama.

Die wohl bekannteste Beschreibung der Heldenreise-Struktur stammt von dem Hollywood-Drehbuchautor Christopher Vogler: Sie hat zwölf Stationen. Der Held reist dazu in eine fremde Welt, besteht Prüfungen und Abenteuer, wandelt sich, wird belohnt und kehrt zurück mit neuem Wissen und Schätzen, die auch das Leben seiner Genossen verbessern. Schon wenn man die Bezeichnungen der Stationen liest, fühlt man sich in einen Fantasy-Roman versetzt:

1) Gewohnte Welt
2) Ruf des Abenteuers
3) Weigerung aufzubrechen
4) Begegnung mit dem Mentor oder der Mentorin
5) Erste Schwelle
6) Bewährungsprobe(n)
7) Tiefste Höhle
8) Entscheidende Prüfung
9) Belohnung
10) Rückweg
11) Wiedergeburt
12) Heimkehr mit dem Elixier

 (In der Langfassung dieses Kapitels – hier als pdf-Datei herunterladen – finden Sie die Struktur ausführlicher beschrieben.)

Diese Abfolge – in der einzelne Stationen je nach Bedarf wegfallen, schrumpfen oder sich aufblähen – kann man so saftig oder nüchtern ausgestalten, wie man nur möchte.

Die Anwendung im Vortrag empfiehlt und praktiziert zum Beispiel Stefan Stockinger von der Wiener Agentur Pirado Verde. Er mahnt aber dazu, die Rollen richtig zu verteilen. „Leider sind Vorträge oft so gestaltet, als stehe die Heldin, der Held vorn auf der Bühne“ – das aber sei eher eitel als wirksam, betont er. „Damit die Leute zu handeln beginnen, müssen sie über den Vortrag hinaus mit dem Thema verbunden bleiben. Dies gelingt, wenn sie sich als Helden und Heldinnen des Abends fühlen.“ Die nötige Tiefe erreiche eine Geschichte übrigens dadurch, dass die Figuren nicht klischeehaft wirken, sondern neben Weiß und Schwarz auch Grautöne vorkommen, rät Stockinger in seinem Blog.

Die zwölf Stationen der Heldenreise

Sieben Narrative rund um den Klimawandel

Wenn es um Storytelling und Geschichtenerzählens geht, werden zwei Begriffe gelegentlich durcheinandergeworfen: Narration und Narrativ – dabei liegen sie auf unterschiedlichen Ebenen. „Narration“ ist lediglich ein anderes Wort für Geschichte oder Erzählung. Ein „Narrativ“ hingegen ist ein größerer Zusammenhang, der Kommunikation ermöglicht und Einordnung bietet. Er bildet einen sinnstiftenden Rahmen für Gruppen oder Gesellschaften und wird durch einzelne Geschichten/Narrationen gebildet und verstärkt. (Mehr dazu in dieser Studie für das Umweltbundesamt.)

Die Kultursoziologin Annika Arnold hat die Kommunikation von Umwelt- und anderen Gruppen in Deutschland und den USA über den Klimawandel untersucht. Dabei ist sie auf sieben Narrative gestoßen, die immer wieder auftauchen:

  • Das Narrativ der negativen wirtschaftlichen Folgen handelt von den Verlusten für die Ökonomien der Industrieländer, die der ungebremste Klimawandel mit sich bringt.
  • Das Narrativ der positiven wirtschaftlichen Folgen beschwört die Chancen von Klimaschutzmaßnahmen, die in einer Umstellung etwa der Energieversorgung oder einer entschiedenen Reaktion auf die veränderten Bedingungen liegen.
  • Das Narrativ vom politischen Parteienstreit ist vor allem in den USA relevant, wo sich Demokraten und Republikaner ja nicht einmal über Basisfakten zum Klimawandel einig sind, geschweige denn über Maßnahmen dagegen.
  • Das Narrativ von der nationalen Politik handelt von Sonderwegen, die einzelne Länder gehen.
  • Das Narrativ der Umwelt preist die Erde als einzigartig und wertvoll und als einziges Heim der Menschheit; es verknüpft also den Wert der Natur mit der sozialen Kultur.
  • Das Narrativ der Verantwortung blickt auf die Rolle, die ein Land im Kolonialismus gespielt hat oder im momentanen Wirtschaftssystem spielt. Menschen etwa in Deutschland leben demnach auf Kosten der Menschen in ärmeren Erdteilen, die jedoch Hauptopfer von Klimaveränderungen sind.
  • Das Narrativ der Solidarität stellt die Menschen in den Mittelpunkt, die unter der Klimakrise leiden; das Motiv dafür ist Menschlichkeit, nicht ein Gefühl von Schuld. Es ist dabei also einerlei, ob Bäuerinnen und Bauern in Burkina Faso oder Brandenburg unter Trockenheit leiden.

Diese Narrative sind, so Annika Arnold, „keine unabhängigen Einheiten, sondern überschneiden sich“. Elemente einzelner Geschichten können aus verschiedenen Narrativen stammen und unterschiedliche Funktionen in jedem der Grundmotive besitzen. Um erfolgreich Geschichten erzählen zu können, ist es hilfreich, verschiedene und verbreitete Narrative zu kennen. Es kann beim Entwerfen von Geschichten helfen, sie in allgemeinere Narrative einzubetten. Diese zu etablieren, wird man aber kaum allein schaffen – dafür braucht es in der Regel viele Akteure und eine gemeinschaftliche, oft lange Anstrengung.

Narrative

Geschichten und Narrative haben Erfolg, wenn sie sich weiterverbreiten

„Narrative sind erfolgreich, wenn sie öffentlich kommuniziert und akzeptiert werden sowie wenn sie positiv in die alltägliche Kommunikation eingebettet sind“, erklären Cristina Espinosa, Michael Pregernig und Corinna Fischer in ihrer Studie für das Umweltbundesamt. „Somit können sie strukturieren, wie gegebene Phänomene zu interpretieren oder zu verstehen sind.“

Die drei Autor:innen zählen eine Reihe von Schlüsselfunktionen von Narrativen in umweltpolitischen Auseinandersetzungen auf: Sie ermöglichen Kommunikation, sie schaffen Referenzpunkte, an denen sich gesellschaftliche Akteure orientieren können, sie helfen bei der Organisation kollektiven Handelns, und nicht zuletzt spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung oder Transformation von Wertesystemen.

Und die Autor:innen formulieren sechs Kriterien, von denen Erfolg von Narrativen abhängt beziehungsweise an denen er sich zeigt: Beispielsweise sollten Narrative an kulturell geprägte Voreinstellungen der Zielgruppe andocken aber auch offen für Interpretationen sein. Wenn Sie dies genauer wissen wollen, lesen gern die Langfassung dieses Kapitels – hier als PDF-Datei herunterladen.

Sechs Kriterien für Erfolg

Geschichten sind für manche Zwecke geeignet, für andere nicht

Geschichten sind ein sehr wirksames Mittel der Klimakommunikation – aber es gilt immer, das richtige Maß zu finden. Übermäßig und unreflektiert auf erzählerische Elemente zu setzen, könne die angemessene Reaktion auf die Klimakrise sogar verzögern, warnt zum Beispiel der österreichische Linguist Martin Reisigl.

Zum Beispiel könne es passieren, dass eine Erzählung das Publikum in entspannte Stimmung versetzt, die nicht zur Dringlichkeit von Entscheidung und Reaktion passe oder zum Handeln anrege. Der abgeschwächte Realitätsanspruch und das Subjektive einer Geschichte könne zum Problem werden, wenn es darum geht, wissenschaftliche Aussagen über Existenz, Ursachen und Folgen des Klimawandels zu machen. Hierfür rät Reisigl deshalb von der Narration ab – sondern empfiehlt eher ein Wechselspiel aus Beschreibung, Erklärung und Argumentation (im Sinne von Begründung).

Hingegen unterstützen biographische Erzählungen und Anekdoten den Aufbau sozialer Identität. Sie erklären Motivation in emotional nachzuempfindender Weise, wecken Empathie – geben wissenschaftlichen Fakten also ein menschliches Gesicht. Die Form hilft überdies, Ereignisse mit Bedeutung zu verknüpfen. Geschichten können vor allem dort gut wirken, wo individuell zugespitztes Schicksal exemplarisch steht, oder wo Solidarität geweckt werden soll – zum Beispiel mit Opfern von klimabedingten Wetterextremen. Außerdem lassen sich so Entwicklungen in der Zukunft quasi erlebbar machen, seien sie nun Utopien oder Dystopien.

Für die Klimakommunikation empfiehlt deshalb Reisigl mit zwei Kolleginnen aus Bern und Wien eine „multimodale Darstellung“, also die Stärken verschiedener Textmuster nacheinander auszuspielen. In einem Vortrag zum Beispiel könne man das Publikum zu Beginn mit einer persönlichen Geschichte emotional ansprechen und es so für die Aufnahme faktischer Information vorbereiten, die dann folgen.

das richtige Maß

Übung zu relevanten Begriffen aus diesem Kapitel

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Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

Übrigens …

Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

  • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
  • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.