Skip to main content

Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Carel Mohn, Chefredakteur klimafakten.de

In der Kommunikation über den Klimawandel wurden lange die Kommunikationsregeln der Wissenschaft befolgt: Man vermied es, neben den nackten Fakten auch Gefühle zu vermitteln. Das hat sich schon geändert, nicht zuletzt, weil das sehr hilfreiche Geschichten-Erzählen (Kapitel 11) nur mit Emotionen funktioniert. Dennoch sollte niemand der Versuchung erliegen, mit dem Auslösen von Empfindungen gewünschte Resultate erzwingen zu wollen.

Sind Emotionen „das fehlende Glied“ in der Kommunikation des Klimawandels? Können sie moralische Empfindungen schärfen und zu eigenem Tun motivieren? Oder sollte man eher sachlich-rational bleiben, weil Gefühle schlecht zu kontrollieren sind?  Diese Fragen beschäftigen wohl jeden, der über den Klimawandel spricht oder schreibt.

Daniel Chapman, Brian Lickel und Ezra Markowitz von der University of Massachusetts in Amherst warnten Ende 2017 in Nature Climate Change davor, die Forschung zur Wirkung von Emotionen zu missbrauchen. Gefühle anzusprechen sei mehr als das Drücken von Knöpfen und brauche einen nuancierten und authentischen Ansatz – und den vermissten sie offenbar in vielen Kampagnen und Statements zum Klima.

Wie Gefühle von Stör- zu kognitiven Erfolgsfaktoren wurden

Der Zwischenruf von Chapman und seinen beiden Mitautoren war die jüngste Volte in einem langen Prozess. Bis etwa zur Mitte der 1990er-Jahre galten Emotionen allgemein als Störfaktoren, die rationale Entscheidungen erschwerten oder gar verhinderten. Das betraf im besonderen Maß die Wissenschaft, die natürlich in der Klimadebatte eine besonders Rolle spielt.

Dann aber erkannten Neuroforscher:innen zunehmend, dass Emotionen unverzichtbarer Bestandteil der kognitiven Leistung des Menschen sind. António Damásio etwa, damals an der University of Iowa, belegte in seiner Arbeit und im Buch Descartes’ Irrtum, dass erstens der Geist ohne den Körper nicht intelligent sein kann, und zweitens Rationalität ohne Gefühle nicht funktioniert. Damásio ging es darum, ein Gleichgewicht herzustellen: Er habe „das Gefühl nie gegen den Verstand ausspielen“ wollen, betont er, „sondern immer nur verdeutlichen, dass das Gefühl im mindesten Fall den Verstand unterstützt und sich im besten Fall im Dialog mit ihm befindet“.

Das funktioniert nicht immer, und tatsächlich können Gefühle zweischneidig sein. Sie wiegen uns in falscher Sicherheit oder machen uns Angst vor unbekannten Risiken. Aber letztlich sind es doch vor allem die Emotionen, anhand derer Menschen die Gefahren der Klimakrise einschätzen können. Daher wurden Gefühle zum gefeierten Hilfsmittel für Forschungsteams, die die Wahrnehmung von Risiken in Umwelt und Klima untersuchten.

Die vielleicht größte Hymne verfasste Sabine Roeser von der Technischen Universität Delft im Jahr 2012 im Fachjournal Risk Analysis. Sie erzählt in dem Beitrag die Geschichte zweier prototypischer Charaktere: John und Jane. Beide sind um die Umwelt besorgt und meinen deshalb: dass sie so wenig wie möglich fliegen sollten. Doch John auf der einen Seite lässt sich bei seinen Überlegungen von rationalen Konstrukten wie der Spieltheorie beeinflussen: Demnach wäre sein Verzicht im großen Ganzen unbedeutend. Seinem Gefühl von Sorge um die Umwelt zu folgen, sagt er sich, würde also gar nichts ändern – und steigt letztlich doch ins Flugzeug. Im Unterschied zu ihm erkennt Jane die Logik zwar an, aber lässt nicht zu, dass diese ihre emotionale und moralische Einstellung übertrumpft. Sie verzichtet also auf den Flug.

„Rationalität kann unsere angemessenen moralischen Gefühle korrumpieren“, schrieb Roeser dazu. „Ich glaube, dass uns Emotionen dabei helfen können, etwas zu sehen, das rein rationale Bewertungen nicht entdecken.“ Informationen über den Klimawandel mit emotionalem Gehalt, betont sie, lieferten einen besseren Einblick in deren moralische Bedeutung und seien zugleich eine tiefere, zuverlässigere Quelle für die Motivation zum Handeln.

Und dann kamen Chapman und seine Ko-Autoren mit ihrer oben zitierten Warnung. Und die Frage steht im Raum: Was denn nun?!

Erfolgsfaktoren

Ihre Emotionen in der Klimakrise

Bevor es weitergeht, hier eine kleine Übung: Es geht um eine Selbsteinschätzung Ihrer Emotionen im Zusammenhang mit der Klimakrise. Wir nutzen dafür ein sogenanntes Netzdiagramm, deren Achsen sind dabei nach einzelnen Gefühlen benannt. Sie können jeweils in den Stufen 1 (nicht) bis 5 (stark) angeben, wie stark Sie die genannte Emotion empfinden.

Hier sehen Sie ein noch nicht personalisiertes Netzdiagramm:

Wenn Sie auf den untenstehenden Knopf klicken, gelangen Sie zu einem externen Grafik-Generator. Dort können Sie, wenn Sie mögen, sich „Ihr“ Emotions-Netzdiagramm anzeigen lassen: In jeder Zeile einen Wert zwischen 1 und 5 angeben, auf „Berechnen“ drücken – fertig.

Wenn Sie so Ihr eigenes Emotions-Diagramm erstellt haben – schließen Sie das neue Browser-Fenster noch nicht. Weiter unten im Kapitel können Sie mit Ihrer individuellen Grafik noch etwas tun.

Wie das fühlende Gehirn Informationen verarbeitet

Um einen Weg durch diese widersprüchlichen Hinweise zu finden, ist es wichtig, die Funktion von Gefühlen genauer zu verstehen. 

„Emotionen sind Bedürfnisanzeiger und liefern die Handlungsenergie, um uns um diese Bedürfnisse zu kümmern.“

Diese Aussage stammt von Katharina van Bronswijk, die Hamburgin ist Sprecherin der Initiative Psychologists/Psychotherapists4Future. Damit sei der Zweck von Emotionen aber nicht ausreichend beschrieben, erklärte sie in der taz: „Um die Handlungsenergie dann in eine Richtung leiten zu können, brauchen wir eine Vorstellung davon, wo wir hinwollen.“

Wozu also brauchen wir Emotionen? Sie leisten große Hilfe bei Entscheidungen. Folgende vier Funktionen definieren die Psycholog:innen Gisela Böhm und Hans-Rüdiger Pfister von den Universitäten Lüneburg und Bergen (Norwegen) in einer Studie von 2008:

  1. Gefühle helfen dabei, stabile Präferenzen zu konstruieren (zum Beispiel in den Emotionen Freude oder Abneigung). Wir speichern sie dann als Erwartungswerte zu den Konsequenzen künftiger Handlungen ab.

  2. Emotionen helfen dabei, künftige Entscheidungen in neuen oder unbekannten Situationen zu beschleunigen, und ermöglichen eine rasche Reaktion. (Das gilt etwa für Angst oder Lust.)

  3. Gefühle lenken den Fokus auf diejenigen Aspekte einer Entscheidung, die für einen selbst relevant sind. (Beispiele hierfür sind Bedauern, Enttäuschung, Neid, Bewunderung oder Sorge.) Sie alle hängen stark von den eigenen Erfahrungen und der Lebenssituation ab.

  4. Emotionen fixieren die persönlichen moralischen und sozialen Standards (etwa als Schuld, Scham, Liebe oder Ärger). Manche dieser Empfindungen, sind vom Standpunkt des Eigeninteresses sinnlos, aber für Menschen als Gesellschafts- und Gemeinschaftswesen wichtig.

Generell gilt laut der Psychologin Barbara Frederickson (University of North Carolina): Positive Gefühle erweitern den subjektiven Handlungsraum, verleihen den Mut, neue Fähigkeiten zu entdecken. Negative Gefühle engen ein. Ihre Kollegin Niki Harré von der Universität Auckland (Neuseeland) ergänzt in ihrem Buch Psychology for a better World (und einem Erklärvideo dazu), dass uns positive Erfahrungen und gute Gefühle kreativer und kooperativer machen, toleranter für unwillkommene Botschaften und offener für Veränderungen. 

Im Folgenden werden einige Gefühle und ihre Wirkungsweise näher betrachtet.

Wie das fühlende Gehirn Informationen verarbeitet

Hoffnung, Stolz und andere positive Gefühle

Zu den positiven Emotionen, die man im Zusammenhang mit Klimakrise und Klimaschutz haben kann, gehört sicherlich als erstes die Hoffnung. Sie motiviert zum Handeln, zum Aufbruch in eine bessere Welt.

In Kapitel 9 stellte sich allerdings die Frage, ob Hoffnung umgekehrt auch das Engagement dämpfen könnte. Die Antwort: Dies kann nur passieren, wenn es eine „falsche“ Hoffnung ist – also eine, die uns den Eindruck vermittelt, das Problem werde von jemand anderem gelöst. Niki Harré nennt das auch die „selbstgefällige Hoffnung“. Dieser unerwünschte Effekt tritt nicht auf, wenn es sich um die konstruktive, motivierende Hoffnung handelt, dass wir selbst mit unseren Mitteln eine Lösung finden oder dazu beitragen können. Hoffnung motiviere jedenfalls stärker als Angst, lautete auch das Fazit eines Workshops beim ersten K3-Kongress zur Klimawandelkommunikation 2017 in Salzburg.

Mit Hoffnung blicken jedoch nur wenige auf die Klimakrise. Bei einer Umfrage von 2016 in vier Ländern (European Perceptions in Climate Change – EPCC) zum Beispiel äußerten nur 19 Prozent der Deutschen, sie hätten Hoffnung in Bezug auf die Veränderungen des Klimas. Immerhin: Wenn man Menschen nicht explizit nach „Hoffnung“ fragt, sondern ob sie selbst einen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise leisten können, sagen zwei Drittel der Deutschen und Österreicher „ja“ (Umfrage 2019/2020 der Europäischen Investitionsbank).

Ein anderes positives Gefühl, das in vielen Studien untersucht wurde, ist Stolz auf die eigene Leistung. Auffällig häufig wird er zusammen mit oder im Gegensatz zu Schuld untersucht.

Beide Emotionen gehören (wie auch Scham und Ärger) zu den sozialen oder ethischen Gefühlen, die wir empfinden, wenn das eigene Verhalten an den Standards und Werten einer Gruppe gemessen wird. Daneben können sich die sozialen Emotionen auf das Verhalten der Gruppe richten, zu der man gehört, oder auf die Handlungen einzelner Mitglieder. Und in jedem Fall können die Empfindungen nach einer Handlung entstehen, aber auch sozusagen vorher, wenn wir uns vorstellen, wie es sich anfühlen würde, wenn wir uns bei einer künftigen Entscheidung so oder so verhalten würden.

In einem Experiment in Brisbane (Australien) fragten Megan Bissing-Olson und ihre Kolleg:innen knapp hundert Studierende über einen gewissen Zeitraum viermal am Tag, ob sie gerade etwas getan hätten, was für die Umwelt relevant sei und wie sie sich deswegen fühlten. Dabei ging es um kleine Alltagshandlungen: Papiersparen durch beidseitiges Bedrucken, Licht ausschalten oder Fahrradfahren. Viele berichteten, sie seien ein bisschen stolz (Stufe 2 auf einer 5-stufigen Skala). Dieses Gefühl, zusammen mit dem Bewusstsein, dass es zu der jeweiligen Handlung Regeln und Erwartungen im sozialen Umfeld gibt, verursachte bei den Studierenden, dass sie die mit Stolz verknüpften Handlungen wiederholten, sich also ein klimafreundliches Verhalten aneigneten. Andere Probanden, die umweltgerechtes Verhalten nicht so sehr als soziale Norm auffassten, ließen einer Handlung hingegen nicht so oft eine zweite folgen.

Diese Forschungsergebnisse klingen zunächst vielversprechend, als könnten Hoffnung oder Stolz für die Klimakommunikation nutzbar gemacht werden. Jedoch ist nicht ganz klar, wodurch das Empfinden von Stolz überhaupt ausgelöst werden kann. In einer kurzen Studie von 2018 warnt Sander van der Linden (University of Cambridge), das „warme Glühen“ zu überschätzen, das viele Menschen durch umweltfreundliches Handeln empfinden. Es könne niedrigschwellige Entscheidungen beschleunigen, zum Beispiel das Licht-Ausschalten, aber nicht größere, wie das Wechseln zu einem Ökostrom-Anbieter.

Hoffnung, Stolz und andere positive Gefühle

Angst, Schuld und andere negative Gefühle

Können Menschen durch das Auslösen von Angst dazu gebracht werden, angemessen auf die Klimakrise zu reagieren? Mit dieser Frage haben sich bereits viele Studien beschäftigt. 2002 zum Beispiel berichteten Anneloes Meijnders und Kolleg:innen (Universitäten Eindhoven und Leiden) von einem Experiment mit zwei kurzen Videos über den Klimawandel. Die beiden Clips enthielten die gleichen Informationen – aber während das eine Video eine neutrale Atmosphäre erzeugte, untermalten beim anderen dramatische Bilder, unheilvolle Musik und eine ausdrucksvolle Sprachmelodie die Aussage mit dem Ziel, bei den Betrachtenden Furcht auszulösen. Und tatsächlich beschäftigen sich die Betrachter:innen dieses Films danach intensiver mit den angebotenen Erklärungen über Energiesparlampen und bekundeten eine stärkere Absicht als die Vergleichsgruppe, solche Leuchtmittel zu kaufen.

Auch Anthony Leiserowitz von der Yale University fand 2006 anhand einer Befragung heraus: Wer mit der globalen Erwärmung negative Gefühle verband, nahm auch die Klimarisiken stärker wahr. Diese Personen unterstützten dann auch teils unpopuläre politische Maßnahmen wie Steuererhöhungen, um die Treibhausgas-Emissionen zu senken.

Wichtig ist aber: Die Experimente beider Studien enthielten nicht nur Elemente, die bei den Versuchspersonen Angst erzeugen sollten, sondern stets auch Lösungsansätze. Denn Furcht ohne Auswege führt zu Apathie oder Ablehnung. (Kapitel 15)

2014 forschte Leiserowitz (gemeinsam mit Nicholas Smith vom University College London) zu den unterschiedlichen Folgereaktionen von Sorge und Furcht. Von 1001 US-amerikanischen Befragten gaben zwei Drittel an, sie seien sehr interessiert an der globalen Erwärmung. Abgestoßen, besorgt, hoffnungsvoll und hilflos fühlte sich jeweils etwa die Hälfte. Dabei erwies sich gerade die Sorge als stärkster Indikator, dass Menschen auch nationale politische Initiativen unterstützten, den Klimawandel einzudämmen – Furcht, die ein gutes Drittel spürte, hatte nicht diesen Effekt.

Um diese beiden Emotionen voneinander abzugrenzen: Bei Angst/Furcht stehen (körperliches) Gefühl und innerer Alarm im Vordergrund; oft muss man überlegen, was der Grund dafür ist. Demgegenüber hat Sorge eher einen verbalen und gedanklichen Fokus und bekommt dann später auch emotionalen Gehalt. Folgen aktueller Ereignisse werden in Gedanken durchgespielt.

Sorge kann aber muss nicht in Angststörungen ausufern. Durch Begriffe wie „Vorsorge“ oder die Formulierung „Sorge treffen, dass…“ wird deutlich, dass Lösungsansätze mitschwingen können.

Eine Emotion mit sehr unterschiedlichen Effekten ist Ärger: Auch er kann aktivieren und dazu motivieren, sich stärker mit den Verhältnissen und mit Informationen zu beschäftigen. Er kann aber auch das Gegenteil bewirken. Weitere mögliche Folgen von Ärger sind das Bedürfnis nach einer Art von Rache oder Bestrafung, aber womöglich auch nach Gerechtigkeit. Viele Aktivist:innen berichten, genau solche Gefühle hätten zu ihrem Entschluss beigetragen, die Verhältnisse ändern zu wollen.

Regelrecht Wut zu empfinden, löst ähnliche, oft intensivere Impulse aus, die dann für manche aber nicht mehr richtig zu kontrollieren sind – also nicht mehr in konstruktives, zielgerichtetes Handeln umgesetzt werden können.  

Schuldgefühle auszulösen erwies sich in vielen Studien entweder als wenig hilfreich oder sogar als schwierig. So empfanden US-amerikanische Probanden in einer Studie von 2010 Schuldgefühle vor allem dann, wenn der Klimawandel zwar als menschengemacht, aber auch als harmlos geschildert wurde. Die Versuchsgruppe jedoch, die von ernsten Effekten erfuhr, fühlte sich weniger für den Klimawandel verantwortlich und stimmte auch politischen Gegenmaßnahmen weniger zu. Da setzte dann womöglich so etwas wie Reaktanz ein – die Probanden wehrten sich also innerlich gegen die Verantwortung, die ihnen vermeintlich zugeschoben wurde.

Angst, Schuld und andere negative Gefühle

Was hilft denn nun? Hemmende und förderliche Emotionen

Die Einteilung in positive und negative Gefühle legt natürlich nahe, auch von „guten“ oder „schlechten“ Emotionen zu sprechen. Aus der Sicht der jeweils betroffenen Personen stimmt das sicherlich – aber nicht unbedingt aus dem Blickwinkel der Klimakommunikation.

Leon Leuser und Daniel Weiss vom Berliner Beratungsinstitut Adelphi fragen daher in einer Veröffentlichung des Umweltbundesamts (2020), ob es hemmende oder förderliche Emotionen für die Nachhaltigkeits-Transformation gebe. Und geben zugleich Antworten:

  • Hemmend ist demnach das Gefühl der Überforderung und der mangelnden Selbstwirksamkeit, dass beispielsweise die Klimakrise viel zu groß sei, um irgendetwas dagegen tun zu können. Frustration, Resignation und Scham gehören in diese Kategorie. Wer etwas als ungerecht, aber zugleich als nicht veränderbar erlebt, wird ebenfalls kaum aktiv werden. Die implizite Kritik am bisherigen Lebensstil, die schon im Wort „Transformation“ mitschwingt, vermag Menschen zu verunsichern, wenn sie sich eingestehen müssten, bislang falschen Zielen nachgejagt zu sein. Ängste können sich auf Verluste richten oder einfach gegen eine Veränderung des Status Quo.
  • Förderlich für die Motivation zu mehr Klimaschutz können hingegen Hoffnung, Vertrauen, Zuversicht, Gelassenheit, Anerkennung und Stolz sein. Auch das Gefühl, in eine soziale Gruppe eingebettet zu sein, ist hilfreich, wenn sie sich den Weg zur Transformation Schritt für Schritt und vor allem gemeinsam sucht. Aber auch Ärger, Sorge, Angst und sogar Wut können Menschen vorwärtsbringen, wenn diese Gefühle aktivieren und zu einer Beschäftigung mit neuen Handlungsweisen anregen.

Die beiden Gruppen von Emotionen überschneiden sich: Angst taucht in beiden Kategorien auf. Bei ihr hängt es sehr stark von der Dosierung und Einbettung ab, wie sie wirkt (Kapitel 15).

Was hilft denn nun? Hemmende und förderliche Emotionen

Gefühle im Paket – Emotionsprofile

Einige Studien betrachten Gefühle nicht einzeln, sondern ganze Profile von Emotionen. Julian Fernando und Kolleg:innen von der University of Melbourne  haben 2014 bei Versuchspersonen in Australien und Kanada nach charakteristischen Mustern von Sympathie, Scham, Stolz und Ärger gesucht. Es ging um den Umgang des Staates mit Geflüchteten in Australien und mit den kanadischen Ureinwohnern, den First Nations. Die Proband:innen wurden gefragt, ob sie zu Spenden, Petitionen, freiwilliger Arbeit und Hilfe bereit seien und ob sie Forderungen nach einer staatlichen Entschuldigung und Kompensation unterstützten.

Das Ergebnis war spannend: Sympathie für die genannten Personengruppen allein brachte kaum Handlungsabsichten hervor. Dies galt vielmehr, wenn ein:e Proband:in ein „prosoziales“ Profil zeigte – also eine Kombination aus Sympathie, Scham sowie Ärger über die Regierung und die eigene Gesellschaft. Ärger über Betroffene und Stolz waren bei diesen Personen weniger ausgeprägt.

Die zweite Studie stammt von einem Team um Susie Wang von der University of Western Australia (2018). Die Wissenschaftler:innen hatten Versuchspersonen gefragt, ob sie politische Maßnahmen zum Klimaschutz unterstützen, zum Beispiel eine Steigerung der staatlichen Umweltausgaben. Die Antworten darauf setzten sie dann in Beziehung zu den Ergebnissen, die eine Frage nach verschiedenen Gefühlen geliefert hatte.

Es war fast die gleiche Frage, die Ihnen oben in der Übung begegnet ist: Wie sehr fühlen Sie die folgenden Emotionen? Und so sah das Emotionsprofil der Gruppe aus, die Klimaschutz am stärksten unterstützte.

Daten: Susie Wang et al. 2018; Grafik: Christopher Schrader

Da ist es wieder, das Netzdiagramm aus unserer obigen Übung – und wenn Sie mögen, können Sie es mit Ihrem eigenen, dort generierten Ergebnis vergleichen. Wie ähnlich sind beide? Wie nah sind Sie an der Gruppe, die besonders stark die Klimapolitik befürwortet?

Der Emotionen-Mix kommt übrigens auch in dem Aufsatz David Chapman und Kollegen vor: „Bewusstes emotionales Empfinden, besonders als Reaktion auf komplexe Konzepte wie den Klimawandel, ist eine Kombination von elementaren Gefühlszuständen mit einer Reihe von kognitiven Bewertungen des Kontexts, von Selbst und Anderen sowie (vielfachen) möglichen motivierenden Auslösern.

Man kann also sagen: Es ist sinnvoll für die Klimakommunikation, wenn Gefühl und Verstand im Dialog sind (wie etwa António Damásio es betonte) und es stets um die Vielfalt und Zusammensetzung der Emotionen geht, weniger um einzelne Emotionen.  

Gefühle im Paket – Emotionsprofile

Ausgelöste Emotionen

Aber heißt dass: Wir können Emotionen gezielt auslösen und planbare Ergebnisse erwarten? Nein, das wäre ein Fehlschluss.

Wir müssen uns nur vergegenwärtigen, wie es sich mit Schuldgefühlen verhält: Wenn Versuchspersonen diese bereits empfinden und im Experiment nur daran erinnert werden, dann ist dies etwas ganz anderes, als wenn man ihnen Schuldgefühle einzureden versucht. Auch bei den anderen Emotionen in den Forschungsexperimenten gilt oft: Das ausgelöste Gefühl hält nicht lange an – und der damit zusammenhängende Effekt auch nicht.

„Auf spezifische emotionale Reaktionen zu zielen, um ein produktives Engagement zum Klimawandel zu fördern, wird vermutlich keine konsistenten und vorhersagbaren Effekte erbringen“,

warnen darum David Chapman und seine Ko-Autoren.

Ausgelöste Emotionen

Vorhandene Emotionen zum Thema machen

Emotionen sind also einerseits ein wichtiger Teil der Kommunikation, aber sie können (und sollten) nicht gezielt ausgelöst und als Werkzeug nutzen werden. Es spricht aber nichts dagegen, Gefühle zum Thema zu machen – und zwar jene, die die Leute in Ihrem Publikum schon haben. Fragen wir die Zuhörer:innen, was sie fühlen, welche Emotionen ein Bild, eine Geschichte, eine politische Initiative bei ihnen auslösen!

Das kann dazu beitragen, dass die Leute ihre Gefühlslage sortieren, sich austauschen – und dass Sie als Kommunikator:in oder Aktivist:in gezielt reagieren können: Haben Sie Lösungsansätze für die Menschen, die verängstigt sind? Wo sind Ihre Informationen für die Besorgten? Lässt sich eventueller Ärger des  Publikums produktiv umsetzen? Schöpfen die Teilnehmer:innen eines Workshops Hoffnung? Oder entwickeln sie Vorfreude? Fühlen sich die Leser:innen einer Broschüre erkannt und abgeholt?

Solche und ähnliche Fragen können und sollten Sie sich im Ergebnis dieses Kapitels für Ihre Klimakommunikation stellen.

Als Hilfsmittel bei einer solchen Analyse kann folgendes Diagramm dienen. Generell lassen sich emotionale Reaktionen anhand von zwei Dimensionen sortieren: Machen sie Lust oder Unlust, sind sie also angenehm oder unangenehm? Und regen sie zu Aktivität an oder zu Passivität?

Quelle: Leviston, Price; Bishop 2014; Grafik: Cristopher Schrader

In dieses Koordinatensystem lässt sich die ganze Spannbreite von Erlebnissen und Gefühlen einordnen, die man angesichts der Klimakrise verspüren kann. Wie gesagt, eine solche Analyse ist sicherlich für Sie hilfreich. Aber sie kann auch ein Programmpunkt in einem entsprechend gestalteten Seminar sein.

Vermutlich wird es so kommen, dass sich im Feld unten rechts wenig findet (das zeigte auch eine Studie von Zoe Leviston vom australischen Forschungszentrum CSIRO in Perth und Kolleg:innen). Angenehm und zum Zurücklehnen ist in der Klimadebatte nicht vieles. Warum das so ist, können Sie dann im Seinar ja auch gleich besprechen…

Vorhanden Emotionen zum Thema machen

Übung zu relevanten Begriffen aus diesem Kapitel

Loading

Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

Übrigens …

Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

  • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
  • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.