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Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Carel Mohn, Chefredakteur klimafakten.de

Angst ist eine heikle Sache in der Klimakommunikation. Manche setzen gezielt auf Horrorvisionen, um die Menschen aufzurütteln. Doch wer über angsteinflößende Dinge spricht, sollte unbedingt auch Lösungen anbieten, sonst fühlt sich das Publikum überfordert. Es folgen oft Fatalismus, Rückzug, Problemleugnung oder die Behauptung, es sei für eine Umkehr und das Stoppen der Klimakrise sowieso längst zu spät.

Journalist:innen (und andere schreibende Menschen) unterscheiden bestimmte Typen von Geschichten. Sehr beliebt sind zum Beispiel Geschichten, bei dem jemand aus einem angenehmen Zustand in ein – symbolisches oder tatsächliches – Loch fällt, eine Weile unten ist, es dann aber (zum Beispiel nach einem dramatischen Kampf) wieder herausschafft. Dieser Typus wird nach der nach der Form des Großbuchstabens U-Geschichte genannt. Solche Geschichten wecken Interesse und Motivation beim Publikum. Sie erzeugen sowohl die spannende Atmosphäre drohenden Unheils, spenden aber auch Hoffnung, weil alles letztlich doch ein happy end nimmt.

Eine „gute“ Geschichte verbindet also die beiden Elemente „runter“ und „rauf“. Fällt die Person gar nicht erst ins Loch, gibt es nichts zu erzählen. Bleibt sie unten, ist das zwar sehr traurig – aber kaum spannend. Es ist sozusagen eine L-Geschichte. Nach diesem unbefriedigenden Muster sind viele Medienberichte zur Klimakrise gestrickt, und das ist kommunikativ ein Problem.

Wie Menschen auf Angst reagieren

Anderen Angst einzuflößen, um eine bestimmte Reaktion zu bewirken, funktioniert in der Regel nicht. Angst löst bei Menschen einen „Kampf oder Flucht“-Reflex aus. Als Klimakommunikator:in hofft man auf Kampf, bekommt aber häufiger Flucht. Es kann darum sogar nach hinten losgehen, bedrohliche Szenarien der Zukunft zu präsentieren, weil Menschen dann abschalten, abstumpfen, sich manipuliert fühlen oder gar – wenn die Warnung drastisch war und (kurzfristig) als überzogen erscheint – Zweifel an der Glaubwürdigkeit der ganzen Aussage bekommen.

Natürlich soll man die katastrophalen Folgen der Klimakrise nicht verschweigen. Das wäre unredlich und falsch. Was also sollen wir tun? Genau darum geht es in diesem Kapitel: wie man über die bedrohlichen Folgen der Klimakrise spricht, wie man mit Angst, Resignation, Fatalismus oder zerstörten Hoffnungen umgeht.

Die Antwort lautet in Kürze: Wenn wir über die katastrophalen Folgen der Klimakrise sprechen, ob sie nun schon eingetreten sind oder uns noch bevorstehen, dann gehört dazu zwingend ein weiteres Element: Die Information, wie man Schäden, Verletzungen und Verluste, Leiden und Schmerzen verhindern, begrenzen, verringern, überleben – oder dies zumindest versuchen – kann.

Gehirne einmal anders nutzen

Übung

Angst löst das Problem nicht

Dass man über Schäden und Katastrophen nur zusammen mit möglichen Auswegen kommunizieren sollte, belegen zahlreiche Studien. Eine der ersten und meistzitierten haben 2009 Saffron O’Neill und Sophie Nicholson-Cole vom britischen Tyndall Centre veröffentlicht; ihr Titel: Fear won’t do it (zu Deutsch etwa: Angst bringt’s nicht).

Die beiden hatten Versuchspersonen Bilder bewerten lassen. Dabei zeigte sich, dass jene Motive, die Aufmerksamkeit erregten, dies vor allem erreichten, weil sie Angst machten. Sie vermittelten zwar, dass der Klimawandel ein wichtiges Thema ist – boten aber keine Handlungsmöglichkeiten. „Angst, Schock oder Sensationalismus mögen verbale Äußerungen und allgemeine Gefühle von Sorge auslösen, aber sie haben einen überwiegend negativen Einfluss auf aktives Engagement zum Klimawandel“, schlossen die Autor:innen aus ihren Versuchen. „Dramatische Darstellungen müssen mit solchen verbunden werden, die es einer Person erlauben, eine positive Verbindung mit den Ursachen und Folgen des Klimawandels zu knüpfen.“

Imke Hoppe von der Universität Hamburg fasste in ihrer Doktorarbeit aus dem Jahr 2016 den Effekt von angstauslösenden Fotos oder Katastrophenfilmen wie The day after tomorrow so zusammen: Solches Material stehe „sowohl bürgerschaftlichem Engagement im Wege als auch ,kleinen‘ Entscheidungen im Alltag, weil es die Übermächtigkeit des Klimawandels demonstriert und den individuellen Beitrag als verschwindend gering erscheinen lässt.“

Ein Forschungsteam um Isabella Uhl-Hädicke von der Universität Salzburg probierte das Angsteinflößen 2017 stattdessen mit Worten (aus dieser Studie stammen auch die Szenarien und Lösungsoptionen der obigen Übung). Die Studie bestätigte den schädlichen Effekt und fand noch eine weitere unangenehme Nebenwirkung: Chauvinismus. Die Probanden aus Österreich bekamen Sätze mit erschreckendem Inhalt zu lesen, verbunden mit der Frage, ob sie das schon wüssten: Infektionskrankheiten, die von Insekten übertragen werden, nehmen zu; eine Million Tierarten sterben aus; weil Ernten kleiner ausfallen, werden Lebensmittel knapp und teuer. Und so weiter. Das löste messbar schlechte Stimmung aus – und führte nicht nur dazu, dass die Versuchspersonen sich weniger umweltschonende Handlungen im Alltag vornahmen als eine Kontrollgruppe, sondern auch, dass sie sich teils in Nationalismus flüchteten. So stimmten einige Proband:innen häufiger fremdenfeindlichen Sätzen zu, wie: „Für unsere Kultur wäre es besser, wenn wir Menschen anderer Kulturen nicht reinlassen.“

Gehirne einmal anders nutzen

Wenn ein Risiko Angst macht – senkt man das Risiko oder die Angst?

Solche Reaktionen kommen nicht überraschend, und die Kommunikation zum Klima ist auch nicht der erste Fall, bei dem Menschen mit verstörenden Informationen konfrontiert werden. Eva Jonas, ebenfalls Psychologin aus Salzburg, widmete sich 2014 mit einem internationalen Team in einem Buchkapitel der Frage, wie Angst und Bedrohung wirken. Ihr Fazit: Fühlen sich Menschen bedroht, ganz gleich, in welchem Zusammenhang, reagieren sie zunächst mit einer furchtsamen Vermeidung, auf die eine vorsichtige Annäherung folgt. Deren Zweck ist es, die aufgekommenen negativen Gefühle wieder loszuwerden.

Dies kann auf mehrerlei Art geschehen: Die konstruktive Weise ist, dass tatsächlich die äußere Gefahr reduziert wird, wenn Menschen dafür eine konkrete, nutzbare, reale Methode sehen. Weitaus häufiger ist jedoch die Strategie, die innere Anspannung zu mindern. Das kann durch Abschalten oder Ignorieren gelingen. Oder indem Menschen ihre Aufmerksamkeit weglenken von den angsteinflößenden Faktoren – und sich stattdessen stärker als zuvor beispielsweise ihren Zielen, sozialen Beziehungen oder Ansichten von der Welt zuwenden. Die helfen dann dabei, sich einzureden, es sei nicht so schlimm. „Risiko ist keine Zahl, sondern ein Gefühl“, sagt dazu Per Espen Stoknes in seinem Buch What we think about when we try not to think about global warming.

Beim Klimawandel kommt ein weiterer verschärfender Aspekt hinzu, stellte ein polnisch-deutsches Team um Zbigniew Kundzewicz von einem Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften 2020 fest: Angst ist zunächst einmal ein individuelles Gefühl – die Lösungen in der Klimakrise bestehen aber in kollektivem Handeln. Dieser Widerspruch bleibt bestehen, selbst wenn die von Eva Jonas beschriebene Annäherung nach dem Vermeiden tatsächlich nach außen und auf Aktion zielt.

Eine andere, komplementäre Erklärung dafür, dass Menschen mit Flucht, Ausflüchten oder Ignorieren statt mit Handeln auf bedrohliche Klimainformationen reagieren, lieferten 2009 Clive Hamilton von der Australian National University und Tim Kasser vom Knox College in Illinois. Sie erklärten zunächst, dass die Bedrohung durch den Klimawandel für viele Menschen wichtige Elemente ihres Selbstbild in Frage stellt: zum Beispiel irgendwelche Pläne, ihre oft bequemen Begründungen für eigenes Verhalten oder ihre Erwartungen, in Gesundheit und Wohlstand alt zu werden. Solche fundamentalen Annahmen zu revidieren, überfordert die meisten Menschen. Drei Formen der Reaktion sind dann möglich:

1) denial – Leugnen: Das stimmt doch gar nicht. Du willst mir nur Angst machen. Ich will davon nichts hören;

2) maladaptive coping – eine falsche, unangemessene, meist passive Bewältigungsstrategie: Das betrifft mich nicht. Das wird schon nicht so schlimm. Das will ich gar nicht so genau wissen. Da müssen zuerst ganz andere etwas dagegen tun. Ich kann eh nichts dran ändern;

3) adaptive coping – ein angemessener, aktiver Umgang mit der Bedrohung: Ich muss etwas tun, und die Erkenntnis, ich kann selbst auch etwas dagegen tun!

Diese drei Methoden unterscheiden sich vor allem darin, wie viele der schlechten Emotionen aus der ursprünglichen Botschaft Menschen an sich heranlassen: 1.) keine, 2.) nur wenige, diese aber verzerrt und verpackt, oder 3.) alle, aber gekontert mit positiven Erlebnissen der erfolgreichen, aktiven Gegenwehr. Dabei, so Hamilton und Kasser, könne man die drei Formen auch als drei Phasen der Reaktion auffassen, wobei beim Übergang von einer zur nächsten jeweils Schwellen zu überwinden sind, die für manche höher, für andere niedriger sind.

Was bedeutet dies für uns in der Kommunikation? Dass wir den Menschen über diese Schwellen helfen müssen. Schieben wir sie hingegen mit immer mehr bedrohlichen Informationen immer tiefer in die emotionale Zwangslage, bleiben sie spätestens auf Stufe zwei hängen und können dann gar nicht anders, als abzustumpfen und auszublenden.

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Wie kann ich es besser machen?

Dazu einige konkrete Tipps:

Vermeiden Sie Ultimaten.

Sie scheinen zwar ein gutes Mittel zu sein, die nötige Dringlichkeit einer Entscheidung zu vermitteln. Aber sie enthalten oft im zweiten Teil des Satzes einen Bruch, wenn er überhaupt noch ausgesprochen wird. Zum Beispiel: „Wir haben nur noch zehn Jahre Zeit, sonst kommt die Katastrophe.“ Was passiert denn tatsächlich nach den zehn Jahren? Und was wird aus der Kommunikationsstrategie, wenn der Zeitpunkt näherkommt oder gar – womöglich ereignislos – vorbeigeht? Um Fristen zu setzen, ist ein Rahmen besser, der Handlungsfähigkeit betont: „Wir haben noch zehn Jahre Zeit, mit den Maßnahmen A, B und C unseren Familien oder Gemeinden Schäden und Leiden zu ersparen. Danach wird es zunehmend schwieriger, teurer und weniger aussichtsreich.“

Nutzen Sie die Sprache Ihres Publikums …

… wenn Sie über Angst auslösende Dinge sprechen oder auf unerfreuliche Ereignisse hinweisen. Verwenden sie Beispiele, die nahe am (Er-)Leben sind. Lassen Sie die Fachbegriffe aus den Naturwissenschaften weg, konzentrieren Sie sich je nach Situation und Zielgruppe zum Beispiel auf Lieferkettenausfall und Versicherung (bei einem Publikum aus der Wirtschaft), Hitzewellen und schattenspendende Stadtbäume (bei Älteren oder Gesundheitsinteressierten), Dürre und resistente Sorten (bei Zuhörer:innen aus dem Bereich Landwirtschaft oder Ernährung). Sprechen Sie statt von „an den Klimawandel anpassen“ besser von „auf den Klimawandel vorbereitet sein“.

Vor Verlusten warnen oder mit Gewinnen werben?

Falls es in Ihrer Botschaft um Verhalten geht, das negative Folgen fürs Klima hat und deswegen objektiv gefährlich ist, überlegen Sie sich vorher (oder fragen Sie ihr Publikum explizit), wie es das betreffende Verhalten subjektiv bewertet: riskant und ungewöhnlich? Oder sicher und normal? Die Einstufung beeinflusst, wie Sie darüber reden sollten. Man weiß das aus der Kommunikation über Medizinthemen. Bei ungewöhnlichem und riskantem Verhalten kann man gut damit argumentieren, was Menschen (gesundheitlich) verlieren können. Ist das Verhalten hingegen verbreitet und gilt deswegen als sicher, ist es klüger, über einen möglichen Gewinn nach einer Verhaltensänderung zu sprechen. Zum Beispiel wird es wenig bringen, vor übermäßigem Kuchenessen mit Verweis auf Übergewicht oder Herzinfarkt zu warnen. Hier ist es vermutlich besser, damit zu werben, dass man mit weniger Kuchen wieder fit genug wird, um mit Freund:innen auf eine Fahrradtour zu gehen. In der Klimakommunikation ist es allerdings das generelle Problem, dass klimaschädliche Verhaltensweisen (große Autos, Vielfliegerei usw.) als sicher, normal und attraktiv gelten…

Eher auf lokale als auf weit entfernte Bedrohungen hinweisen …

… das ist generell gut und richtig (Kapitel 8). Aber es kann passieren, dass beim Übergang vom zweiten zum ersten die Angst viel schneller zunimmt als die motivierende Wirkung. Das gilt besonders dann, wenn einzelne Menschen im Publikum schon einen „near miss“ hatten, wie es der Klima-Kommunikationsratgeber der Columbia University ausdrückt, also zum Beispiel ein bedrohliches Extremwetterereignis erlebt haben. Darauf kann man sich einstellen, wenn man einfach nach solchen Erfahrungen fragt.

Mit dem ABC-Schema Lösungsansätze unterfüttern.

Angesichts der Größe der Bedrohung kann bei vielen im Publikum der Eindruck entstehen, dass das, was Sie vorschlagen, ohnehin nicht reichen wird. Dann könnte das ABC-Schema helfen, das 2011 die Organisation E3G vorgeschlagen hat: aim to stay well under 2 degrees of warming, build and budget for 3-4 degrees, make contingency plans for 5 or more degrees. Also: Ziele auf eine maximale Erwärmung von unter 2 Grad, baue Infrastruktur und stelle Geld bereit für 3 bis 4 Grad, mache Notfallpläne für 5 oder mehr Grad. Dieses Schema lässt sich natürlich für andere Beispiele anpassen.

Betten sie angstauslösende Informationen ein …

… in ein persönliches Gespräch oder ein Gruppenerlebnis, bei dem Menschen offen miteinander sprechen können. Emotionen lassen sich dann besser bewältigen, die Inhalte besser durchdringen und in Handlungsabsichten umsetzen.

Falls Angst bei Ihnen selbst wirkt, verallgemeinern Sie nicht.

Dieser Ratschlag beruht auf einer italienisch-schwedischen Studie, die lange Gespräche mit jungen Aktivist:innen ausgewertet hat. Für diese war Angst zwar oft ein Trigger ihres eigenen Engagements, das dann vor allem von unverzichtbarer Hoffnung getragen wurde. Aber sie hatten erkannt, dass Angst bei der Kommunikation nicht hilft.

In der Langversion dieses Kapitels (hier als pdf-Datei zum Herunterladen) gibt es noch viel mehr zu lesen: Ob wir es überhaupt vermeiden können, dass Informationen zur Klimakrise Angst machen. Was der Unterschied ist zwischen alarmierend und alarmistisch. Und was es mit apokalyptischen oder fatalistischen Klimabüchern auf sich hat.

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Fünf Schritte der veränderten Kommunikation

Wie also gehen wir mit Angst, Resignation, Fatalismus oder zerstörter Hoffnung um? Angst ist ein Gefühl, das wir einfangen und einbetten müssen. Es kann motivieren – aber nur dann, wenn es ein klares, erreichbares Ziel für diese Motivation gibt. Resignation und Fatalismus hingegen sind unerwünschte Nebenwirkungen einer Kommunikationsstrategie, die mit bedrohlichen Fakten und Ausblicken in die Zukunft arbeitet. Wir sollten alles daransetzen, sie nicht aufkommen zu lassen und eine Zerstörung der Hoffnung zu verhindern.

Eine gute Zusammenfassung stellt Susanne Moser in einer Veröffentlichung des britischen Tyndall Centre vor. Dort geht es um die „Herausforderung, unwillkommene Klimabotschaften zu übermitteln“. Moser schlägt fünf Schritte in Form eines Vorher-Nachher-Vergleichs der Methoden vor.

  • Vom Aussprechen unwillkommener Botschaften …
    … zur Teilnahme an schwierigen Dialogen;

  • vom Übermitteln wissenschaftlicher Ergebnisse …
    … zum Knüpfen einer menschlichen Verbindung;

  • von der Annahme, wir sprächen den Verstand an …
    … zur Absicht, das Herz einzubeziehen;

  • vom Verkünden schlechter Nachrichten …
    … zur Einladung auf eine emotionale Reise;

  • vom Auslösen eines Kampf-oder-Flucht-Reflexes …
    … zur Motivation für aktives Engagement.

Diese Veränderung beim Kommunizieren sei schwierig, gibt Moser zu. Doch statt ein „Erzähler des Untergangs“ zu sein, befördere man so ein konstruktives Aktivwerden.

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Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

    Übrigens …

    Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

    • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
    • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.