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Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Eva Freundorfer, Redakteurin klimafakten.de

Nicht jede:r kann mit jedem Publikum gleich gut kommunizieren. Natürlich gibt es Ausnahmetalente – aber meist kommen Klimaaktive wohl am besten bei Menschen an, die bereits überzeugt sind von der Notwendigkeit von Klimaschutz. Bei allen anderen kann es hilfreich sein, neue Stimmen zu finden, denen das Publikum vertraut und denen es sich nahe fühlt (etwa politisch, weltanschaulich, religiös, wirtschaftlich oder räumlich). Und es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, Vertrauen zu stärken, zum Beispiel indem man auf Wärme, Empathie und Offenheit setzt.

Vertrauen in Forschungsergebnisse ist nicht selbstverständlich

In vielen gesellschaftlichen Bereichen ist in den vergangenen Jahren Respekt für und Vertrauen in Institutionen verlorengegangen. Ein Blick auf populistisch-autoritäre Bewegungen in vielen Industrie- und Schwellenländern zeigt ein generelles Misstrauen gegen viele soziale Institutionen, die als „Elite“ dargestellt werden: Politik, internationale Organisationen, Großunternehmen, Medien, Kultur (einige Zahlen zu Deutschland enthält eine Studie der Bertelsmann-Stiftung).

Auch die Wissenschaft landet in der Regel lediglich im Mittelfeld, wenn bei Umfragen erkundet wird, wie hoch das Vertrauen der Öffentlichkeit in verschiedene Institutionen ist.

Schon aus solchen Umfragen ergibt sich, dass die Wissenschaftler:innen das Vertrauen der Gesellschaft für sich und in ihre Forschungsergebnisse nicht voraussetzen oder einfordern können. Sie müssen darum werben und dafür arbeiten, und dazu genügt es auch nicht, genauer über die Arbeitsweise von Akademien, Instituten und Laboren aufzuklären. Das ist wichtig, sogar unverzichtbar, aber nur ein Anfang. Denn:

Die meisten Menschen (und vor allem fachliche Laien) treffen ein soziales Urteil darüber, wen sie für vertrauenswürdig erachten – und kein wissenschaftliches Urteil, was sie für wahr halten.

Attributionsforschung

Wie schon bei Aristoteles und Cicero …

Bereits in antiken Standardwerken über Rhetorik ist nachzulesen, dass ein:e Redner:in das Vertrauen des Publikums genießen muss, damit die Botschaft ankommt. Der griechische Gelehrte Aristoteles schrieb im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zu den Voraussetzungen von Überzeugungskraft: „Den Anständigen glauben wir nämlich eher und schneller, grundsätzlich in allem, ganz besonders aber, wo es eine Gewissheit nicht gibt, sondern Zweifel bestehen bleiben.“

Etwa 300 Jahre später stimmte ihm der römische Staatsmann Marcus Tullius Cicero zu: Überzeugungskraft speise sich aus den Argumenten, den geweckten Emotionen und den (wahrgenommenen) Eigenschaften der oder des Vortragenden. „Gewinnen aber lassen sich die Herzen durch die Würde eines Menschen, seine Taten und das Urteil über seine Lebensführung.“

Für die Klimakommunikation ist daran relevant: Vertrauen ist besonders wichtig, wenn es „keine Gewissheit“ gibt. Dies ist beim Klimawandel der Fall. Auch wenn die wissenschaftlichen Belege überwältigend sind, so ist seine Realität doch vom Einzelnen kaum mit eigener Sinneswahrnehmung erfassbar. Maxwell Boykoff von der University of Colorado fordert in seinem Buch Creative (Climate) Communications einen Strategiewechsel: Wir sollten nicht mehr konfrontativ aufeinander losgehen („turning on each other“), sondern stattdessen aufeinander zugehen („turning to each other“).

Das gelingt am besten, wenn die Kommunikation in bestimmte Gruppen hinein jeweils durch Vertrauenspersonen erfolgt – die dabei auch ihre jeweils eigenen Argumente, ihre eigene stimmige Sprechweise nutzen.

 

sagt George Marshall von der britischen Organisation Climate Outreach. „Erfolg werden wir daran erkennen, dass über das Thema Globale Erwärmung auf eine Art geredet wird, die uns überhaupt nicht gefällt.“

Ein (Muster-)Beispiel aus den USA: Katharine Hayhoe

Ein eindrucksvolles Beispiel für eine Vertrauensperson, die Klimathemen in besondere Zielgruppen kommuniziert, ist die Atmosphärenforscherin Katharine Hayhoe. Sie ist Tochter eines Pfarrers, selbst tiefreligiös – und publiziert Informationsmaterial zur Klimakrise, das sich speziell an Evangelikale richtet. Diese Bevölkerungsgruppe ist sehr konservativ, und die meisten ihrer religiösen oder politischen Meinungsführer bestreiten grundlegende Erkenntnisse der Klimaforschung. „Stellen Sie sich die Situation für 25 Prozent der Amerikaner vor“, sagt Hayhoe. „Menschen, denen sie vertrauen, haben ihnen gesagt, es gäbe gar keinen Klimawandel.“

Wie schon in Kapitel 2 unter dem Stichwort „cultural cognition“ erklärt, müssen diese Menschen Widerstand und Ablehnung in ihrem direkten sozialen Umfeld fürchten, wenn sie die globale Erwärmung als Realität und als Gefahr akzeptieren. Sie bekommen dann zu hören, sie seien nicht mehr konservativ, unchristlich oder unamerikanisch. Hayhoe beklagt: „Die wissenschaftlichen Ergebnisse abzulehnen, ist Teil ihrer Identität geworden. Da muss man sie irgendwie rausholen.“

Genau das versucht Hayhoe. Sie publiziert Bücher speziell für diese Menschen. In Video-Clips klärt sie humorvoll über weitverbreitete Mythen zum Klimawandel auf. Sie hält unzählige Vorträge, gibt Interviews. Inzwischen ist es sogar wissenschaftlich belegt, dass Hayhoe ihr Publikum tatsächlich erreicht und mit Informationen zur Klimakrise versorgen kann. Sie ist damit das, was man in der Fachwelt eine trusted voice nennt, eine „vertrauenswürdige“ oder „wirkungsvolle Themenbotschafter:in“. Sie überwindet kognitive Widerstände ihres evangelikalen Publikums: Sie ist eine von ihnen, sie schätzt diese Menschen, und das merken ihre Glaubensschwestern und -brüder.

Eine Übung zum Konzept von Vertrauenspersonen in der Kommunikation sowie viele vertiefende Informationen finden Sie in der Langfassung dieses Kapitels – hier als PDF-Datei zum Herunterladen

Wem man (gern) zuhört: Prominente

Zwar unterscheidet sich die Situation in den USA mit ihrer sehr polarisierten Öffentlichkeit (und ihrem Zweiparteiensystem in der Politik) sehr von jener im deutschsprachigen Raum. Doch so wie Katharine Hayhoe einen besonderen Draht zu Teilen der dortigen Gesellschaft findet, kann man auch hier für viele Zielgruppen speziell geeignete Themenbotschafter:innen suchen – und finden.

Prominente zum Beispiel, für die sich Menschen aufgrund ihrer Bekannt- und Beliebtheit interessieren, können Informationen besonders wirksam verbreiten. In Deutschland ist einer von ihnen Eckart von Hirschhausen, der sich nach seinem Medizinstudium dem Kabarett und dem Fernsehen zugewandt hat. Er leitet für sich aus seiner Position und seinem Werdegang eine Verantwortung ab und sagt:

„Das, was Werbetreibende und Marketingexperten schon immer machen, könnte die Klimabewegung auch einsetzen: Welche öffentlichen Figuren haben Vertrauen und könnten die Themen wie die Probleme der Hitzebelastung mit ihrer eigenen Kompetenz verbinden? Das wäre ,Influcencer-Marketing‘ für eine sinnvolle Sache.“

„Und jetzt zum Wetter…“ – Wettermoderator:innen

Fernseh-Meteorolog:innen sind ebenfalls Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit und ihres Wissens ein gewisses Vertrauen genießen. „Der Klimakommunikationskanal Wetterbericht ist lange unterschätzt worden“, sagt Inge Niedek, ehemalige ZDF-Journalistin und Vorstandsmitglied der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft. „Er ist eine gute Plattform, um die Zuschauer:innen darüber zu informieren, was der Klimawandel bewirkt – die sollten wir nutzen.“

In Deutschland sprechen vor allem Karsten Schwanke und Özden Terli in ihren Auftritten in ARD und ZDF nicht nur übers Wetter, sondern regelmäßig auch über das Klima. In Österreich ist ORF-Moderator Marcus Wadsack der vielleicht prominenteste Vertreter dieser Idee, in der Schweiz ist SRG-Meteo-Chef Thomas Bucheli in dieser Richtung aktiv. Karsten Schwanke und viele andere Wetter-Expert:innen informieren auch in vielgelesenen Büchern über Klimawandel und -forschung, und halten regelmäßig Vorträge vor großem oder auch nicht so großem Publikum.

Die Initiative #KlimaVor8 fordert noch mehr Aufmerksamkeit – und vor allem einen besseren Sendeplatz für das Thema Klima im Fernsehen. Sie drängt auf den Sendeplatz kurz vor der ARD-Tagesschau, der bisher für Börsen-Informationen reserviert ist.

„… fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ – Gesundheitsberufe

Vermutlich gibt es wenige Berufsgruppen, denen mehr Vertrauen entgegengebracht wird als denen aus dem Gesundheitssektor. Darauf könne man bauen, ist auch Eckart von Hirschhausen überzeugt:

Ärzt:innen und andere Menschen aus dem Gesundheitswesen können die psychologische Distanz zur Klimakrise erheblich verringern – sie holen das Problem in die Gegenwart und die direkte Nachbarschaft (siehe Kapitel 8).

Die Mediziner:innen-Initiative „Deutsche Allianz Klima und Gesundheit“ (Klug) zum Beispiel möchte sowohl nach außen in die Gesellschaft als auch nach innen in den Gesundheitssektor wirken. Zu den Zielen der Organisation gehört, „den Klimawandel als zentrales Thema für die Gesundheit deutlich [zu] machen“ und dafür zu werben, dass Lebensstiländerungen im Rahmen eines umfassenden Klimaschutzes auch die Gesundheit der Menschen verbessern. Ähnliche Aktivitäten gibt es von einer Ärzt:innen-Initiative in der Schweiz und von der Österreichischen Ärztekammer.

Nicht nur die „grüne Blase“ – Klimakommunikation für Konservative

Initiativen zum Klimaschutz können bei politisch Konservativen zu Abwehrreaktionen führen, weil „dieser Umweltkram“ als Thema der politisch „anderen Seite“ gilt, vor allem der Grünen. Auch hier ist es hilfreich, vertrauenswürdige Stimmen zu haben, die beim jeweiligen Zielpublikum nicht nur unverdächtig sind, sondern anerkannt oder gar prominent.

In Deutschland könnte dies jemand sein wie der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, der auf Twitter sehr aktiv ist und sich auch zu Klimathemen stark positioniert. Wenn man ein wenig sucht, wird man in der Union auch noch viele andere Menschen finden, denen die Sache am Herzen liegt – weitere Beispiele sind der Bürgermeister von Konstanz, Ulrich Burchardt, oder der ehemalige Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, Bertram Fleck, der maßgeblich daran beteiligt war, die Region zum Energiewendevorreiter zu machen.

In Großbritannien hat sich vor allem Climate Outreach, die Organisation von George Marshall, mit Anhängern der Tories beschäftigt. Ein Bericht empfiehlt dort, die Konservativen mit ihren Werten anzusprechen (siehe auch Kapitel 3 und Kapitel 5). Für die Klientel geeignete Botschaften fokussierten zum Beispiel auf die Gefahren für die lokale Umwelt durch die Klimakrise und die möglichen Vorteile, die Klimaschutz für die lokale Wirtschaft bringt, auf Energiesicherheit, die wirtschaftliche oder soziale Stabilität oder das Vermeiden von Verschwendung.

Lokale Honoratioren – Handwerksmeister, Pfarrerinnen & Co.

Wie soll man nun praktisch vorgehen bei der Suche nach einer „trusted voice“, einer vertrauenswürdigen Stimme? Es ist stets ratsam, sich vorab gründlich mit seiner eigenen Zuhörer:innenschaft zu beschäftigen (Kapitel 5). Wenn man deren Werte und Denkweisen gut kennt, lassen sich erfolgversprechende Botschafts-Personen auswählen.

Und vielleicht sind geeignete Kandidat:innen für diese Rolle auch schon längst Teil Ihres Zielpublikums? So kann es sein, dass Sie bei der Vorbereitung von Kommunikationsaktivitäten auf klimabewegte Hebammen, Feuerwehrleute oder Landwirte stoßen, den Meister in einem lokalen Handwerksbetrieb, die Trainerin der Fußball-B-Jugend, den Pfarrer oder die Gründerin einer Nachbarschafts-Initiative. All diese Leute haben sofort einen besseren Draht zum Publikum als irgendjemand von außerhalb.

Beispiele solcher lokaler Aktivist:innen finden sich viele. Die Initiative Entrepeneurs4Future etwa hat mehr als 4500 Mitglieder, von Imkern aus dem Schwarzwald über Messerfabrikantinnen von Norderney bis zur Ukulele-Manufaktur aus Wien. Beim Verband Klimaschutz-Unternehmen sind Dutzende Firmen zusammengeschlossen, vom Großkonzern bis zu Mittelständler:innen.

Auch Nachbarschaften und andere lokale Gemeinschaften sind relevante Kommunikationsforen für  Klimaschutz – bislang aber vor allem, wenn es um individuelle Verhaltensänderungen geht. Eine Studie von 1991 hatte erprobt, ob sich Nachbar:innen im gegenseitigen Gespräch zu mehr Recycling animieren konnten. Die Antwort war: Ja. In nachbarschaftlichen und lokalen Kommunikationssituationen verbinden sich übrigens gleich mehrere Erfolgsfaktoren: Das jeweilige Publikum kennt diejenigen, die mit ihnen über die Klimakrise und die Lösungen sprechen. Die Kommunikation findet eher auf Augenhöhe statt, und jede:r kann selbst Ideen einbringen und die vorgeschlagenen Maßnahmen (zum Beispiel Geräte oder Lastenfahrräder gemeinsam nutzen, Reparaturcafés betreiben oder gemeinsam kochen) vermutlich besser beurteilen als Entscheidungen der nationalen oder gar internationalen Politik. Außerdem reduziert diese Art des Umgangs die psychologische Distanz zum Problem (siehe Kapitel 8) und stärkt nebenbei auch noch die Gemeinschaft.

Übrigens

Wenn Sie jemanden finden, der früher ein:e sogenannte Klimaskeptiker:in war, aber dann doch verstanden hat, dass die Botschaft der Wissenschaft stimmt, kann das auch sehr effektiv sein. Ein Beispiel ist der Allgemeinmediziner Eckhart John, der sich 2016 in einem Gastbeitrag bei klimafakten.de sozusagen „outete“. International bekannt ist der Physiker Richard Muller von der Universität Berkeley.

Vielfalt in der Klimakommunikation – Diversity

Für eine gelungene Klimakommunikation ist es auch wichtig, verschiedene Perspektiven einzunehmen und eine Vielfalt von Klimakommunikator:innen zu zeigen. Hierfür gibt es viele Gründe: Zum einen wird damit die Breite jener widergespiegelt, die sich für stärkeren Klimaschutz engagieren. (Mehrfach in der Vergangenheit klagten zum Beispiel nicht-weiße Aktivistinnen, sie würden systematisch ausgeblendet.) Zum anderen kann eine Vielfalt bei Sprecher:innen und Protagonist:innen dafür sorgen, Zielgruppen zu erreichen, die bislang weitgehend im Klima-Diskurs ignoriert werden, wie Menschen mit Migrationserfahrung oder Geringverdienende zum Beispiel.

Ein oft vernachlässigtes (aber für gezielte Kommunikation nutzbares) Thema ist der Geschlechter-Aspekt des Klimawandels. Dieser trifft bekanntlich Frauen und Männer unterschiedlich – genauer gesagt: Frauen leiden meist stärker unter den Folgen der Erderhitzung, zum Beispiel weil sie in vielen Gesellschaften die Hauptlast bei der Versorgung der Familien mit (knapper werdendem) Trinkwasser tragen. Auf der anderen Seite wird aber oft auch nicht wahrgenommen, welche wichtige Rolle viele Frauen etwa bei Klimaverhandlungen spielen oder als Vorreiterinnen im Klimaschutz.

Auf Vielfalt zu achten, soll nicht die Arbeit von Aktiven erschweren, sondern sie bereichern. Uns allen tut es gut, den Blick zu weiten.

Auf dem Umweg zum Ziel – Kinder

Die letzte Gruppe möglicher Themenbotschafter:innen, die hier erwähnt werden soll, liegt einem bestimmten Zielpublikum ebenfalls sehr nahe: die eigenen Kinder. Das hat sich schon bei den #FridaysForFuture-Protesten seit 2019 gezeigt, die von vielen Eltern begrüßt und unterstützt wurden. Sehr bald entstanden unter anderem hunderte ParentsForFuture-Gruppen.

Untersuchungen zeigen: Offenbar können gezielte Bildungsprogramme für Kinder nicht nur deren (künftiges) Verhalten beeinflussen, sondern auch das der Eltern. Ein wichtiger Faktor bei diesem Intergenerationen-Lernen ist, dass die Eltern von ihren eigenen Kindern in die Aktivitäten eingebunden werden.

Eine weitere Studie nennt einige Grundbedingungen, um Heranwachsende sozusagen als Themenbotschafter:innen zu mobilisieren: Es sollte möglichst um lokale Fragestellungen und Projekte gehen, es sollten mehrere Lehr-Einheiten über einen längeren Zeitraum angesetzt werden, die zudem unmittelbar greifbar sind, also durch eigenes Tun Spaß machen und Erlebnisse vermitteln. Und es braucht engagierte, enthusiastische Lehrer:innen. Dann öffne sich hier „ein vielversprechender Weg, Klimahandeln sowohl bei Kindern wie Eltern anzuregen“.

Übung zu Themenbotschafter:innen

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Vertrauen gewinnen – durch Wärme …

Blicken wir zum Schluss noch einmal auf die grundlegende Frage: Wie lässt sich das Vertrauen (des Publikums) gewinnen oder stärken? Als sinnvolle Strategie gilt es, im öffentlichen Auftreten neben Kompetenz auch Wärme und Engagement für die Sache auszustrahlen. Der bereits in Kapitel 5 erwähnte Ratgeber der britischen Organisation Climate Outreach zum Beispiel empfiehlt Wissenschaftler:innen, „eine menschliche Geschichte zu erzählen“, also über ihre persönliche Motivation und Inspiration, ihre Hoffnungen und Ängste zu sprechen, um beim Publikum als authentische und vertrauenswürdige Stimme anerkannt zu werden.

Dazu gehören auch Emotionen, mahnt ein Arbeitspapier des britischen Tyndall-Centre über das „Kommunizieren unwillkommener Botschaften“:

„Wenn Wissenschaftler:innen es versäumen, das emotionale Gewicht unwillkommener Ergebnisse anzuerkennen, dann geht etwas Wichtiges verloren, und ein Laien-Publikum könnte sich verschließen oder misstrauisch werden.“

Es könne helfen, eigene Gefühle offenzulegen und die persönliche Geschichte zu erklären. Der Rat gilt für alle Klimakommunikator:innen: „Sie sollten über den eigenen Werdegang sprechen, und zwar besonders, wenn die Überzeugungen aus einer Position des Zweifels erwachsen sind.“

Wie solche persönlichen Botschaften aussehen können, haben Wissenschaftler:innen um Beth Osnes und Maxwell Boykoff von der University of Colorado in rund 50 kurzen Video-Clips unter dem Titel „More than scientists“ gezeigt. Darin berichten die Interviewten von ihrer Arbeit und davon, was ihnen die Veränderungen im Klimasystem persönlich bedeuten. Dort erzählt zum Beispiel Heidi McCann, wie die Ureinwohner, von denen sie abstammt, auf die Natur und Erderhitzung in der Arktis blicken. Und Kevin Trenberth beschreibt, was das Rugby-Spielen in seiner Jugend mit seiner Motivation zu tun hat. (Zum Thema „Geschichten erzählen“ – siehe auch Kapitel 11.)

Diese Strategie dürfte bei einem offenen, zugewandten Publikum erfolgreich sein, ebenso bei einem, das abwartend oder gar desinteressiert ist. Bei einer solchen Zuhörerschaft kann man auf eine kognitive Verarbeitung vom sogenannten Typ 1 hoffen – also das, was Daniel Kahneman „schnelles Denken“ genannt hat (siehe Kapitel 2). Erreicht man Menschen auf diesem Wege, sind sie bei der Entscheidung über Vertrauen oder Misstrauen weitgehend auf Autopilot und lassen sich eher von Hinweisen und Atmosphärischem leiten.

… und durch Offenheit

Bei einem Publikum jedoch, das bereits misstrauisch oder ablehnend ist, komme man so kaum weiter, heißt es in diesem Überblicksartikel in der Zeitschrift Wires Climate Change. Sofern es nicht bereits komplett dichtgemacht hat, nutzt es eher Typ-2-Verarbeitung, also seinen Verstand, der durch einen Verdacht geweckt ist (Daniel Kahnemans „langsames Denken“). Es sucht aktiv und analytisch nach Anzeichen, dass seine Bedenken gerechtfertigt sind. Da können Witzchen schnell nach hinten losgehen: „Die will sich ja nur einschmeicheln“, könnte dann das Urteil lauten. Kognitive Verarbeitung nach Typ 2 erfolgt auch dann, wenn das Publikum damit rechnet, dass das Thema erhebliche und womöglich unerwünschte persönliche Folgen haben könnte Oder dass man sich später mit anderen darüber austauschen muss und hierfür Argumente braucht. Dass ihre persönlichen Werte betroffen sind oder gar in Frage gestellt werden.

Bei einem solchen Publikum können vier Grundsätze helfen, die man vielleicht unter dem Begriff Offenheit zusammenfassen könnte. Kommunikator:innen sollten demnach:

  1. sich verletzlich machen. Das könnte zum Beispiel mit der Zusage beginnen, mit Kritiker:innen im Dialog zu bleiben.
  2. dem Publikum die Möglichkeit geben, Fehler zu finden. Dazu gehört offene Information über die Verlässlichkeit der Daten und die Angabe, welche Entwicklung die momentane Hypothese entkräften würde.
  3. mögliche Fehlinformationen eingestehen und explizit korrigieren.
  4. mit kleinen Schritten beginnen und erst einmal die Fakten über begrenzte Teilsysteme des Klimas besprechen.

Zusammengefasst: Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit: Es ist wichtig, dem Publikum selbst Vertrauen entgegenbringen, wenn man es um seines bittet. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg sagt dazu: „Bei Vorträgen habe ich über die Jahre gemerkt, dass mir eine Sache beim Erwerb bzw. Erhalt des Vertrauens enorm hilft: Ich lege sehr großen Wert darauf, die im Nachgang gestellten Fragen richtig zu verstehen und sorgfältig zu beantworten. Aus den erhaltenen Rückmeldungen schließe ich, dass dieses Eingehen auf die Fragen mehr zum Vertrauen beiträgt als ein schicker Vortrag selbst.“ 

Eine kurze Übung zu diesem Kapitel

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Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

Übrigens …

Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

  • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
  • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.