Skip to main content

Was Sie in diesem Kapitel erwartet? Interview mit Christopher Schrader, Autor des Handbuchs

Beim Kommunizieren sollten wir unsere Worte sorgfältig wählen und an unseren Aussagen feilen. Dabei kommt es oft auch darauf an, was nicht gesagt wird – aber mitschwingt. Viele Begriffe regen Assoziationen an, die das Publikum in eine Stimmung versetzen und das Verständnis einer Botschaft entscheidend prägen. In der Forschung spricht man hier von „Bedeutungsrahmen“ oder „Frames“. Versteckte Bedeutungen können das Ziel von Kommunikation untergraben oder – gekonnt eingesetzt – dabei helfen, es zu erreichen. In jedem Fall sollte man sein Framing hinterfragen und bewusst kontrollieren.

Frames

Jede kommunikative Aussage enthält mehr als nur die reine Wortbedeutung. Immer schwingen Assoziationen mit, die die Zuhörer:innen mitdenken oder mitfühlen. Warum das so ist und was es bedeutet, das erklärt die Hamburger Linguistin Elisabeth Wehling ausführlich in ihrem Buch Politisches Framing (2016). Jegliche Kommunikation, so Wehling, aktiviert unweigerlich Bedeutungsrahmen (engl.: „frames“).

Diese können Offensichtliches transportieren – oder aber Unterbewusstes im Kopf der Zuhörer:innen aktivieren. In Frames kann also codiert sein, was auf der Hand liegt und selbstverständlich erscheint, aber auch, was jemand mit dem genannten Wort verknüpft hat. So können einzelne, für sich genommen oft neutral wirkende Aussagen mit einer unterschwelligen Bedeutung aufgeladen werden – und im Ergebnis Zustimmung, Ablehnung oder sonstige emotionale Reaktionen provozieren.

Wer wirksam kommunzieren will, muss deshalb prüfen: Welche (unbewussten) Botschaften sende ich mit meiner Kommunikation tatsächlich aus?

Die Fakten zwischen zwei Scheiben Moral servieren

Von Wehling stammt auch das Sprachbild „Framing-Sandwich“. Sie hat es zum Beispiel in einem Gutachten für die ARD(2017) verwendet, in dem es um Kommunikation zu den Rundfunkgebühren ging. Wehling empfahl einen Dreischritt: Als Basis (Brotschreibe Nr. 1) das moralische Anliegen benennen („der gemeinsame Rundfunk ARD von und für alle Bürger“); dann auf etwaige Vorwürfe faktisch eingehen, ohne jedoch die Wortwahl oder die Sprachbilder der Kritiker aufzugreifen (der Käse oder Aufstrich in der Mitte); dann noch einmal die moralische Prämisse bekräftigen (Brotschreibe Nr. 2).

„Das moralische Framing generiert weit mehr Dringlichkeit – und Zustimmung oder Ablehnung einer Idee – als es die schönsten nicht-geframten oder in den Frames der Gegner vorgetragenen Fakten tun.“

Kommunikative Rahmen, so Wehling, „heben immer bestimmte Gegebenheiten hervor, indem sie ihnen eine kognitive Bühne bereiten, und blenden andere Gegebenheiten aus, indem sie ihnen keine Rolle in dem Stück zuweisen, das auf dieser Bühne gespielt wird.“

Frames

Übung zum Thema Frames

Loading

Dieser analytische Blick auf unsere Kommunikation mag zunächst widerstreben, wenn wir glauben, dass rationale, faktische Argumente der Kern guter Debatten sind. Daher wird gelegentlich der Vorwurf erhoben, hier werde die Wahrheit verdreht.

Wehling hingegen betont, Framing habe nichts mit Manipulation zu tun – sondern sei lediglich eine Anerkennung der Realität. Denn niemand kann ohne Bedeutungsrahmen kommunizieren. Jede Aussage enthält Frames – so oder so.Fakten sprechen eben nicht für sich selbst. Erst die Frames verleihen den Fakten im Gehirn eine – oft auch emotionale – Bedeutung.

Jedenfalls spannen Journalist:innen (und alle Personen, die professionell kommunizieren) in ihrer Arbeit ständig Bedeutungsrahmen auf und heben Teile der Wirklichkeit zulasten anderer Teile hervor. Anders könnten wir alle die Komplexität der Welt gar nicht bewältigen.

Als Grundregel betont Wehling: Wer gut kommuniziert, bringt sein Anliegen ehrlich und authentisch vor. Er stellt es in einen Rahmen, der die eigenen Werte und Anliegen emotional erkennbar macht.

Wie die Frames im Gehirn wirken

Die Kognitionspsychologie hat erforscht, dass Verknüpfungen im Gehirn physisch durch Verbindungen der Nervenzellen hergestellt werden und umso stabiler sind, je öfter sie benutzt werden. Das ist das grundlegende Prinzip neuronaler Vorgänge. Es prägt auch das Sprachverständnis.

In einer der vielen Studien zum Thema lasen Testpersonen zum Beispiel einen dieser beiden Sätze: „Der Adler ist am Himmel“ oder „Der Adler ist im Nest“. Dann sahen sie ein Bild eines Vogels mit ausgebreiteten oder angelegten Flügeln – und sie konnten es schneller einordnen, wenn sie vorher den jeweils passenden Satz gelesen hatten. Die Verknüpfung, die in den Hirnen stattfand, war: Himmel, das heißt fliegen, das heißt ausgebreitete Flügel, das heißt, wir sehen den Vogel von unten in einer Silhouette. Das alles steckte in dem aufgerufenen Bedeutungsrahmen „Vogel am Himmel“.

Bei einem weiteren Versuch lasen die Proband:innen: „Es war kein Adler am Himmel“ oder „Es war kein Adler im Nest“. Dann sahen sie die gleichen Bilder wie vorher und konnten wieder jeweils eines schneller einordnen als das andere. Auch die Aussage „kein Adler am Himmel“ wurde im Gehirn in Verbindung gebracht mit einer Vogel-Silhouette mit ausgebreiteten Schwingen. Das zeigt: Im menschlichen Denken wird bei einer Negierung der gleiche Frame aktiviert wie durch eine bejahende Verwendung.

Auf solchen Erkenntnissen beruht Wehlings Mahnung, nicht die Wortwahl eines Gegners aufzugreifen. Denn unbewusst verankert man damit im Gehirn der Zuhörenden, was man eigentlich zu bestreiten versucht.

Was man beim Widerlegen falsch machen kann

Die Erkenntnis, dass das Negieren eines Frames bedeuten kann, ihn zu bestätigen, hat weitreichende Konsequenzen. Das Widerlegen von Falschmeldungen (engl.: Debunking) läuft oft ins Leere oder erreicht unterbewusst sogar das Gegenteil des Bezweckten, wenn zunächst die zu widerlegenden Behauptung wiederholt wird. Denn dadurch wird gleich am Anfang ein Frame geschaffen, der die weitere Kommunikation oder Lektüre eines Artikels prägt und beeinflusst – meist zuungunsten der eigentlich beabsichtigten Botschaft.

Wie man es besser machen kann, zeigt zum Beispiel die Webseite skepticalscience.com (ein Partnerprojekt von klimafakten.de). Auf der Seite werden populäre Falsch-Behauptungen zum Klimawandel kategorisiert und widerlegt. Doch statt bei seinen Faktenchecks jeweils den Mythos nach vorn zu rücken oder gar im Titel eines Beitrags zu wiederholen, sind auf skepticalscience.com die Überschriften als offene Frage formuliert, als neutrale Beschreibung oder sachliche Klarstellung. Danach folgt – auffällig grün unterlegt – erst die wissenschaftliche Tatsache, dann mit einer roten Flagge der Mythos, schließlich die genaue Erklärung, warum das Quatsch ist.

Skepticalscience.com nutzt also auch eine Art Sandwich-Methode. Im Detail wird dieses Vorgehen im Debunking Handbook erklärt (deutsche Version: Widerlegen, aber richtig).

Auch immer mehr Journalist:innen sind sich der geschilderten Problematik bewusst und versuchen, es besser zu machen. Wer etwa auf der Faktencheck-Website von correctiv.org nachschaut, sieht zum Beispiel: Viele Überschriften beginnen mit einem „Nein“, um gleich den richtigen Frame aufzurufen, nämlich den Widerspruch.

Wer wirken will, muss seinen eigenen Bedeutungsrahmen setzen

Frames zu negieren bedeutet immer, sich gedanklich auf sie einzulassen“, warnt Elisabeth Wehling. Es mag uns in einer Debatte wie Ausweichen vorkommen, wenn wir mögliche Vorwürfe oder Falschaussagen nicht beantworten, sondern umgehen und eine andere Darstellung dagegensetzen. Wenn aber die eigene Botschaft beim Publikum ankommen soll, muss der eigene Bedeutungsrahmen mitgegeben werden. Dieser muss ehrlich und klar sein. Erst dann können Zuhörer:innen sich ihre eigene Meinung bilden.

Vorsicht beim Widerlegen

Metaphern

Für das Framing, das uns als pragmatisches Instrument dienen sollte, sind vor allem die gewählten Metaphern von Bedeutung. Es geht nicht nur um bewusst gewählte Sprachbilder, sondern immer auch um Assoziationen, die wir verinnerlicht haben, weil wir sie oft seit der Kindheit so kennen und nicht mehr hinterfragen.

„Wer ehrlich kommunizieren will, muss sich derjenigen Metaphern, die er nutzt, möglichst bewusst sein und sie immer wieder daraufhin prüfen, ob sie seine Weltsicht und seine Meinung wiedergeben.“

Dabei hilft es, sagt Wehling, sich bei den gewählten Begriffen zu überlegen, wie sie im Alltag verwendet werden. Die Wissenschaftlerin erläutert das Vorgehen am Beispiel des Worts „umverteilen“ (im Zusammenhang mit der Steuerdebatte). „Teilen“ klingt zunächst sehr freundlich und gemeinschaftsorientiert. Aber schon die Vorsilbe „ver-“ ändert die Botschaft: Eine externe Instanz trifft Entscheidungen für andere und teilt ihnen etwas zu. Und das Präfix „um-“ bedeutet, dass eine Neuordnung, eine Umkehr ins Spiel kommt.

Das bedeutet für uns: Wir müssen auf unsere Sprache achten. Und zwar bereits dort, wo wir ein Problem charakterisieren, vor dem wir warnen und das wir lösen möchten.

Die folgenden überspitzten Beispiele verdeutlichen dies: „Globale Erwärmung“? Wärme ist doch allgemein etwas Positives. „Klimawandel“? Ein Wandel ist zunächst neutral und das Verb im Deutschen reflexiv: das Klima wandelt sich doch selbst! Dasselbe moniert Wehling am Begriff „Klimaschutz“, auch bei diesem bleibe „die Rolle ,Bösewicht‘ oder Gefahr‘ unbesetzt“. Der Mensch trete, „wenn überhaupt, als Retter auf“. Vielleicht ist es ja genau das, was wir sagen wollen – aber dann sollten wir uns dessen zumindest bewusst sein.

Da sich immer mehr Klimakommunikator:innen der Bedeutung des Framing bewusst sind, sprechen viele von ihnen mittlerweile von „Erderhitzung“ oder „Klimakrise“ und bringen dem Publikum ihre Positionen klar zum Ausdruck.

Metaphern

Mehrere Frames vorbereiten

Im Jahr 2009 nahm eine Arbeitsgruppe der New Yorker Columbia University das Framing zentral in ihren Ratgeber zur Psychologie der Klimawandel-Kommunikation auf. Ein Tipp hieraus lautet, man solle die eigene Botschaft stets für mehrere Bedeutungsrahmen aufbereiten, die jeweils verschiedene Teile des Publikums ansprechen.

Als Beispiel wurde dort auf die sogenannten promotion und prevention frames verwiesen. Hintergrund: Laut zahlreicher Studien reagieren verschiedene Menschen sehr unterschiedlich darauf, ob es um die Förderung („promotion“) oder die Verhinderung („prevention“) irgendeiner Sache geht. Manche sind eher für das eine ansprechbar, andere für das andere (siehe Kapitel 4). Und man kann ja ein und dieselbe Sache häufig auf zweierlei Art darstellen: entweder etwas erreichen – oder das Gegenteil verhindern.

„Die Leute fühlen sich besser, haben eine positivere Einstellung und halten ihre Verhaltensweisen eher durch, wenn ihre Ziele in einer Art und Weise geframt werden, die sich für sie natürlicherweise komfortabel anfühlt.“

Mehrere Frames vorbereiten

Vokabellisten: Mit den richtigen Wörtern Punkte machen

Es ist ein wenig, als könne man die passenden Bedeutungsrahmen wie eine Vokabelliste üben. In der folgenden Tabelle finden Sie Begriffe, die jeweils eine gewisse Nähe haben, weil sie unterschiedliche Vorlieben bezeichnen – aber jeweils unterschiedlich framen, also in den Bedeutungsrahmen promotion (erreichen) und prevention (verhindern) stellen:

Erreichen

Erträge maximieren

erzielen, gewinnen

Wünsche

Fortschritt

eifrig, begierig

fördern

Verhindern

Verluste minimieren

behalten, aufrecht erhalten

Notwendigkeit

Schutz

wachsam, aufmerksam

sichern

Mehr Beispiele und weitere Hintergründe in der Langversion dieses Kapitels – hier als pdf-Datei herunterladen

In Kapitel 5 haben wir ein Konzept vorgestellt, dass Menschen in vier Motivationstypen („limbic types“) einteilt: die Neugierigen, Bewahrer, Harmonisierer und Performer. Für jeden dieser Typen gibt es Formulierungen, mit denen er oder sie besonders gut angesprochen werden kann. Hierzu eine Übung, die wir (mit freundlicher Genehmigung) aus einer Broschüre der Tropenwald-Stiftung OroVerde adaptiert haben.

Gewinnen vs. verlieren

Was hat das bisher Gesagte mit der Kommunikation rund ums Klima zu tun? Viel! Wenn über mögliche politische Maßnahmen zum Klimaschutz und anstehende Veränderungen gesprochen wird, dann geht es meist auch um gewinnenund verlieren. Und diese beiden werden sehr unterschiedlich interpretiert, auch wenn es um mathematisch vergleichbare Vorgänge geht: Die Angst vor (finanziellen) Verlusten ist größer als die Hoffnung auf Gewinne; siehe Kapitel 2, Stichwort „loss aversion“. Ohne bewusstes Framing in der Kommunikation tappen wir womöglich in eine Falle.

Um aus diesem Muster auszubrechen, rieten Amos Tversky und Daniel Kahneman (bekannt durch den Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken) schon vor Jahrzehnten zu einem Perspektivwechsel: Statt Entscheidungen auf die Bedürfnisse in der Gegenwart zu stützen, solle man in die Zukunft blicken, oder genauer, aus der Zukunft zurück. Also nicht fragen: Was will ich jetzt? Sondern: Wie werde ich es in einigen Jahren sehen?

Gewinnen vs. verlieren

Frames für die großen Linien der Klimadebatte

Der Begriff Frame wird nicht nur für die Begriffsrahmen von Formulierungen verwendet, sondern auch für die großen Linien der Kommunikation (etwa über die Klimakrise).

Ob in Presse oder Politik, bei Nichtregierungsorganisation oder Großunternehmen – überall gibt es breit akzeptierte Deutungsmuster, die dem jeweiligen Publikum oft schon lange vertraut sind. Auch diese Deutungsmuster wecken Assoziationen und erzeugen Bedeutung weit über die jeweils gebrauchten Worte, Botschaften oder Slogans hinaus. Vor allem wirken sie, einmal etabliert, auch dann weiter, wenn Menschen aktuelle Entwicklungen und neue Details vor und in dem erlernten Rahmen interpretieren (solche Frames werden gelegentlich auch Narrative genannt – mehr dazu in Kapitel 11).

Ein Beispiel für solche übergreifenden Kommunikations-Muster und was sie (Falsches) bewirken können: Weil Presseleute über Politik häufig in einem Frame von Konflikt und Strategie berichten, haben sie dieses Muster auf die Klimadebatte übertragen: von der Klimapolitik auch auf die Klimaforschung. So kam es, dass bei wissenschaftlichen Fragen häufig Vertreter:innen unterschiedlicher „Meinungen“ befragt und gleichberechtigt zitiert wurden – obwohl in der Wissenschaft reine Meinungsäußerungen wenig relevant sind, und es zum Beispiel für die Realität des menschengemachten Klimawandels unzählige harte Belege gibt, für das Gegenteil hingegen nicht. Wenn Journalist:innen also wie gewohnt ein Pro und ein Contra darstellen (und so dem gewohnten Deutungsmuster „Konflikt und Strategie“ folgen), verfälschen sie im Ergebnis den wissenschaftlichen Sachstand.

Hier eine kleine Auswahl von Groß-Frames, die zur Kommunikation über Klimawandel genutzt werden und in denen diese interpretiert wird

  • Groß-Frame Konflikt und Strategie:
    eher nicht für wirksame Klimakommunikation geeignet, denn dadurch wird Klimapolitik im grundsätzlichen, politischen Streit verankert; journalistische Artikel nach diesem Schema laufen Gefahr, ein falsches Gleichgewicht („false balance“) zu transportieren

  • Groß-Frame Verantwortung übernehmen / Moral und Ethik:
    ist für wirksame Klimakommunikation geeignet, sofern den Menschen zugleich gezeigt wird, dass und wie sie handeln können

  • Groß-Frame Fairness, Mäßigung, Verschwendung vermeiden:
    ist für wirksame Klimakommunikation geeignet, dieser Deutungsrahmen kann ein geeigneter Frame für ein eher konservatives Publikum sein

  • Groß-Frame ökonomische Folgen:
    ist für wirksame Klimakommunikation geeignet, aber Achtung, dieser Frame kann in mehrere Richtungen genutzt werden: Es kann um Kosten von Klimaschutz gehen (schreckt viele Menschen ab). Man kann aber auch von Kosten reden, die sich durch Klimaschutz vermeiden lassen – also zum Beispiel Schäden durch Extremwetter, die bei ungebremstem Klimawandel sehr teuer werden. Ein positiver Deutungsrahmen in diesem Groß-Frame wäre auch ein Verweis wirtschaftliche Chancen durch grüne Technologie. Dieser Rahmen bietet daher auch die Möglichkeit, ökonomische Argumente von Klimaschutz-Gegnern oder -Verzögerern umzuinterpretieren

  • Groß-Frame Risiko und Desaster, Extremwetter:
    ist für wirksame Klimakommunikation geeignet, kann psychologische Distanz in Zeit und Raum verringern;  gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Menschen Angst bekommen – dieser Deutungsrahmen sollte deshalb am besten mit Lösungsangeboten kombinieren

Eine ausführlichere Liste und weitere Informationen finden Sie wieder in der Langfassung dieses Kapitels – hier als pdf-Datei herunterladen

Frames für die großen Linien der Klimadebatte

Framing gegen wicked problems

Was bedeuten diese Groß-Frames für die konkrete Arbeit, für die eigenen Botschaften oder die eigene Organisation? Eins muss klar sein: Passt Ihr Anliegen und die Darstellung, die Sie wählen, in einen der hier erwähnten, bereits etablierten Deutungsrahmen? Und was schwingt dabei jeweils mit? Mit welchen Positionen ist die Idee verknüpft?

Schwimmen Sie in einem größeren, bereits etablierten Erzählstrom mit, oder müssen sie gegen den Strom schwimmen? Gibt es vielleicht eine Alternative, einen anderen Groß-Frame für Ihre Botschaft?

Diagnose, Prognose und Motivation

Zum Schluss noch zwei Praxisbeispiele, wie geschicktes Framing den Kampagnen von Nichtregierungsorganisationen Erfolge beschert hat – und dies sogar bei einem sogenannten wicked problem (einem „vertrackten“ Problem, für das es keine einfache Lösung gibt, siehe Kapitel 1).

Juliane Reinecke und Shaz Ansari von den Universitäten im britischen Warwick und Cambridge haben die Situation in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) analysiert, wo in den 2000er-Jahren Warlords und Milizen um die Macht kämpften, Kinder als Soldaten missbraucht wurden und sexuelle Gewalt gegen Frauen eine allgemeine Kriegstaktik war. Der Konflikt galt als unlösbare Aufgabe der internationalen Politik, bis Organisationen und Politiker:innen eine Reihe neuer Bedeutungsrahmen aufspannten.

In scheinbar ausweglosen Situationen können soziale Bewegungen, das zeigt die wissenschaftliche Literatur, in drei Schritten eine Veränderung im Framing erreichen: in der Diagnose, der Prognose und der Motivation. Man sollte also das Problem und die Verantwortlichen identifizieren, Möglichkeiten der Abhilfe finden und potenzielle Unterstützer:innen zum Eingreifen bewegen. Nur so lässt sich die Bedeutung für das Publikum herausarbeiten.

In diesem Fall fokussierten die NGOs auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch statt die Kriegsverbrecher:innen in den Mittelpunkt der Kampagnen zu stellen, erklärten die Organisationen die Abnehmer der Mineralien zu Mitverantwortlichen, geradezu zu Kompliz:innen der Warlords – Schritt eins. Um die Aufständischen ihrer Geldquellen zu berauben, sollten die Elektronikkonzerne nachweisen, dass ihre Rohstoffe keine „Konflikt-Mineralien“ seien – Schritt zwei. In Schritt drei machten die NGOs die Käufer:innen der Elektro-Geräte zu Unterstützer:innen. Am wirksamsten erwies sich dabei die Verknüpfung mit Mobiltelefonen.

Die Conflict Mineral-Kampagne wurde so zu einem großen internationalen Erfolg. Sie beruhte darauf, dass die NGOs die Komplexität des Problems mittels Framing radikal reduzierten: Weder war Coltan in der Realität die zentrale Ursache der Kämpfe, noch waren die Elektronikkonzerne und End-Verbraucher:innen direkte Schuldige. Doch mit einem neuen Blick auf den Konflikt ließen sich Geschichten erzählen, Emotionen wecken, moralischer Druck ausüben.

 

Mit Frames Brücken von radikalen zu moderaten Positionen bauen

Beispiel Nummer zwei ist die internationale Kampagne, die die Finanzbasis jener Unternehmen untergräbt, die fossile Energierohstoffe fördern, aufbereiten und vertreiben. Sie ist von Bill McKibben und der Organisation 350.org gestartet worden und hat mittlerweile unter anderem erreicht, dass viele US-Universitäten, Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften oder auch Städte wie Köln ihre Finanzanlagestrategien überdenken und Aktien und Wertpapiere von Öl- oder Kohlefirmen abstoßen.

Dieses sogenannte Divestment war anfangs eine radikale Forderung, eine radikale Art, das Problem zu framen. Nicht die Öl- oder Kohlekonzerne wurden als Schuldige der Klimakrise benannt, sondern deren Finanziers und Anteilseigner:innen. McKibben brachte zudem eine moralische Komponente in die Debatte, wonach es nicht mehr legitim sei, Öl und Kohle zu fördern – oder als Investor:in davon zu profitieren.

Eine vieldiskutierte Frage ist, ob solche Vorstöße und zuspitzenden Kampagnen den moderaten Ideen in der politischen Auseinandersetzung eher helfen oder sie eher diskreditieren. Eine Studie von 2017 (Schifeling/Hoffman) stellte fest, dass mindestens beim Divestment ersteres stimmte. „Es hat dabei geholfen, die US-amerikanische Debatte neu zu zentrieren“, stellte auch der bekannte Blogger David Roberts alias Dr. Vox fest.

Als Erklärung machen die Beobachter:innen aus, dass Brücken zwischen dem radikalen, moralischen Frame und den etablierten Bedeutungsrahmen bestanden oder zumindest erkennbar waren. In diesem speziellen Fall konnten auch Mainstream-Institutionen den Vorschlag (Ausstieg aus fossilen Energien) in ihre Welt (Geldanlage) übersetzen und verstehen, was er für sie bedeutete. Neben dem moralischen Argument hatte die Kampagne auch noch ein ökonomisches: Die fürs Überleben der Menschheit notwendige Energiewende werde in absehbarer Zeit heftige Folgen für die fossilen Konzerne haben – der Wert werde also über kurz oder lang sinken. Den Besitzer:innen der Aktien drohen hohe Verluste, die sie aber bei einem frühen Ausstieg sogar noch begrenzen könnten.

Und – wie Sie bereits mehrfach in diesem Handbuch gelesen haben haben – die Angst vor Verlusten („loss aversion“) ist ein tief in der menschlichen Psyche verankerter Mechanismus.

Framing gegen wicked problems

Übung zu relevanten Begriffen aus diesem Kapitel

Loading

Link- und Literaturliste zum Weiterlesen

Übrigens …

Dieses Kapitel gibt es – wie alle anderen Kapitel – in jeweils zwei Fassungen:

  • Einmal kurz und kompakt, wie Sie es hier gerade lesen (als Online-Version mit interaktiven Übungen).
  • Daneben gibt es von jedem Kapitel auch eine ausführliche Fassung im PDF-Format zum Herunterladen. Diese enthält mehr Details und Hintergründe und teils andere Übungen.